Familienpolitische Vorhaben unter der Lupe

Auch eine Studie zur Höhe der Kinderkosten ist längst überfällig.

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10,75 Milliarden Euro erreichten die Familienleistungen in Österreich 2018: ein jährlicher realer Anstieg von insgesamt 0,9 Prozent und pro Kind um 1,3 Prozent. Dem internationalen Trend folgend, hat sich die Struktur der Familienleistungen deutlich verschoben: Während der Anteil von Geldleistungen und Steuererleichterungen gegenüber 2000 um über 12 Prozentpunkte auf 68 Prozent gesunken ist, hat sich jener der Ausgaben für Betreuungseinrichtungen auf 21 Prozent verdoppelt.

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Margit Schratzenstaller ist Ökonomin am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Wie sind vor diesem Hintergrund die familienpolitischen Vorhaben der neuen Regierung einzuordnen?

Zunächst wird als wichtiges familienpolitisches Ziel die bessere Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern bekräftigt. Erreicht werden soll sie auch durch einen flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung: 10.000 neue Betreuungsplätze sollen pro Jahr geschaffen werden. Das bedeutet zusätzliche Investitionen zu den von der Vorgängerregierung bis 2022 beschlossenen Zusatzmitteln. Diese sind auch angezeigt: Zwar sind die Betreuungsquoten insbesondere für Unter-Dreijährige seit 2008 deutlich gestiegen. Allerdings lagen sie 2018 mit 20 Prozent gemäß Eurostat-Definition immer noch deutlich unter der EU-Vorgabe von 33 Prozent.

Auch die Qualität der Kinderbetreuung soll verbessert werden - als Stichworte werden flexible Öffnungszeiten und Vereinbarkeitsfreundlichkeit genannt. Mittelfristig soll das zweite verpflichtende Kindergartenjahr kommen. Zudem spricht das Regierungsprogramm die Attraktivierung des Berufsfelds Kindergartenpädagogik an: eine wichtige Vorgabe, auch angesichts dessen, dass derzeit nur zwei Prozent des pädagogischen Personals im vorschulischen Bereich männlich sind. Konkrete Maßnahmen werden nicht aufgeführt, werden aber - wenn sie sich etwa auf Ausbildung und Bezahlung beziehen - ebenfalls zusätzliche Mittel erfordern.

Weiters sollen Anreize für Männer zur Übernahme unbezahlter Arbeit gesetzt werden. Dazu werden noch nicht näher spezifizierte Reformen der Väterkarenz und des Papamonats zur Verbesserung der Vereinbarkeit in Aussicht gestellt. Diskussionswürdig wäre etwa die Ausdehnung der nicht übertragbaren Karenzmonate für den zweiten Elternteil, um die zwar steigende, mit 19 Prozent aber ausbaufähige Väterbeteiligung zu stärken. Hervorzuheben sind die geplanten Studien zu Zeitverwendung sowie zu Familien- beziehungsweise Kinderkosten. Um Fortschritte bei der Erreichung des Ziels einer gleichmäßigeren Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit nachvollziehen zu können, braucht es aktuelle Daten zur Zeitverwendung von Frauen und Männern. Auch eine Studie zur Höhe der Kinderkosten ist längst überfällig, da eine aktuelle Referenz zur angemessenen Höhe der Geldleistungen fehlt. Die einzige konkret angeführte Maßnahme ist die Erhöhung des Familienbonus. Darüber hinaus kündigt das Regierungsprogramm die Fortführung wichtiger Modernisierungsschritte des letzten Jahrzehnts an. Nun stehen Konkretisierung und finanzielle Unterlegung der Maßnahmen an.