Der Ton der Kontrahenten wird rauer
Seitdem SPD und Grüne im Kampf um die Vormacht in der Stadt zu Konkurrenten wurden, wird der Umgang schwieriger. Das zeigt sich auch auf einer wackeligen Hafenbarkasse bei einem Rededuell.
Gut drei Wochen vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg wird der Ton zwischen den rot-grünen Koalitionären rauer. Beim „Hafen-Duell“ der „Bild“-Zeitung sind die beiden Bürgermeisterkandidaten, Amtsinhaber Peter Tschentscher von der SPD und seine grüne Herausforderin, die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, bemüht, sich voneinander abzugrenzen. Mögliche andere Koalitionen nach der Wahl am 23. Februar halten sich beide offen, auch wenn sie eigentlich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit befürworten, freilich nur unter eigener Führung.
Bei einer gut anderthalbstündigen Barkassenfahrt durch den Hafen mit rund zwei Dutzend „Bild“-Lesern verweist Tschentscher einmal mehr auf die Erfolge, die seine SPD seit 2011 nach zweieinhalb Jahren schwarz-grüner Regierung für Hamburg vorzuweisen habe – seien es der Wohnungsbau, die kostenlose Kita oder die Infrastruktur. „Wir hatten unheimlich viel nachzuarbeiten“, sagt er. Auf die zweite Legislatur mit grüner Regierungsbeteiligung geht er kaum ein.
Fegebank zeigt sich genervt. „Was mich wirklich stört ist, dass man das Gefühl hat, dass ab 2011 eine neue Zeitrechnung begonnen hat“, sagt sie. „Ganz genauso war es“, wirft Tschentscher ein, noch bevor Fegebank daran erinnern kann, „dass seit 1957 44 Jahre lang die SPD regiert hat“. Tschentscher aber tue so, als sei das nie passiert.
Während die „Hanna Abicht“ sich durch die von starkem Regen und Wind aufgepeitschten Wellen des Hamburger Hafens kämpft, arbeiten sich die Kontrahenten auf dem Podium in der Barkasse vor allem am Hauptwahlkampfthema ab: dem Verkehr. Die Grünen-Frontfrau erinnert auch daran, dass die Menschen in Osdorf und Lurup seit 40 Jahren auf einen Schnellbahnanschluss warten. „Soviel noch einmal zum Thema „Zweieinhalb Jahre Schwarz-Grün haben alles kaputt gemacht“, sagt sie. „40 Jahre Sanierungsstau und Versäumnisse waren vorher. Das kann man doch nicht ausblenden.“
Tschentscher beklagt mangelnde grüne Glaubwürdigkeit bei den Themen autofreie Innenstadt und bei der Stadtbahn, die im Wahlprogramm der Grünen stehen. Dass auch Fegebank jetzt nur noch von einer autoarmen Innenstadt spreche, sei zwar gut. Auch er könne sich vorstellen, den Jungfernstieg oder den Neuen Wall vom Autoverkehr zu befreien. Von den Grünen wünsche er sich aber, „von vornherein in den Ansagen, die man macht, klar zu sein und nicht eine Riesendiskussion anzuzetteln, um sich dann wieder vom Acker zu machen.“
Sie glaube nicht, dass man bei dem Thema weit auseinander liege, sagt Fegebank. „Nur sind wir diejenigen, die einfordern, dass es schneller geht und dass man visionär auch mal einen großen Sprung wagen kann.“ Die von Tschentscher abgelehnte Stadtbahn hätten die Grünen zwar „im Instrumentenkasten“, wollten damit aber nichts übers Knie brechen. „Aber Peter, wir haben doch gemeinsam verabredet, welchen Weg wir gehen“, sagt sie. Und auch wenn sie die Idee immer noch für eine kluge und vor allem schnelle Lösung für die Probleme einer modernen Metropole halte: „Die Stadtbahn kommt die nächsten Jahre nicht.“
Straßenbahn? „Eine merkwürdige Idee“
Tschentscher warnt dennoch vor „merkwürdigen Ideen“, die am Ende in der Praxis zum Scheitern verurteilt wären. „Herr Weinberg fängt schon wieder damit an“, sagt er und meint den CDU-Spitzenkandidaten Marcus Weinberg der sich für eine Straßenbahn im Hamburger Westen stark macht. „Ich bin nicht Herr Weinberg“, stellt Fegebank klar. Und überhaupt spreche der nur noch von einer Deutschlandkoalition mit SPD und FDP. Die Idee der Deutschlandkoalition hätten CDU und FDP nur aufgebracht, „weil sie sich nicht vorstellen können, dass diese Stadt mit einer grünen Bürgermeisterin gut vorankommt“, kontert Tschentscher.
SPD liegt derzeit vorn
Kurz vor der Wahl liegen SPD und Grüne als stärkste Parteien in Umfragen deutlich vor CDU, Linken, FDP und AfD – zuletzt konnte sich die SPD mit 32 Prozent Zustimmung fünf Punkte von den Grünen absetzen. Die rot-grüne Mehrheit scheint sicher. Von einer Wechselstimmung ist in der Stadt nichts zu spüren. Theoretisch wären aber auch eine SPD-geführte Deutschlandkoalition öder Jamaika unter grüner Leitung möglich.
„Rot-Grün ist eine gute Option“
„Ich sage: Rot-Grün ist eine gute Option“, konstatiert Tschentscher. „Wir werden das als sehr naheliegend verfolgen.“ Wichtig sei aber, dass die SPD stärkste Kraft werde. „Weil alles andere ist – wie wir in Deutschland sehen – sehr anfällig für abenteuerliche Koalitionen.“ Für sich selbst schießt er erneut jedes andere Amt als das des Bürgermeisters aus. „Wir setzen auf Grün-Rot“, sagt Fegebank, ist hinsichtlich der eigenen Zukunft aber nicht so eindeutig. Auf die Frage, was sie persönlich mache, wenn sie ihr selbstgesteckte Ziel verfehle, bleibt sie vage: „Irgendwas mit Politik.“
lno
Peter Tschentscher
„Ich musste mich vor den Straßenbanden fürchten“
Verkehrswende
Grüne wollen jährlich 100 Kilometer Radwege bauen