Internationale Lösung stockt

OECD-Reform: Die globale Steuerrevolution wackelt

137 Staaten wollen eine Reform des globalen Steuersystems, doch die USA sind skeptisch. Scheitert eine internationale Lösung, droht ein neuer Handelskrieg.

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Angel Gurria

Der OECD-Generalsekretär dringt auf eine gemeinschaftliche Lösung.(Foto: Reuters)

Berlin, Paris. Am Rande des Weltwirtschaftsforums vergangene Woche trafen sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein amerikanischer Amtskollege Steven Mnuchin zu einem Vier-Augen-Gespräch. Es ging um ein heikles Thema: Die geplante Reform des globalen Steuersystems.

Fast 140 Staaten wollen die internationale Steuerarchitektur komplett umkrempeln. Eine globale Mindeststeuer für Unternehmen soll Steuer-Dumping vermeiden. Daneben soll eine neue „Digitalsteuer“ große Tech-Konzerne, die ihre Steuerlast leicht runterrechnen können, angemessen besteuern, so die Pläne der Politik.

Nun zeigt sich: Auch Scholz ist es in dem Gespräch nicht gelungen, die Bedenken der USA auszuräumen. Zwar gab die für globale Steuerfragen zuständige Industrieländerorganisation OECD am Freitag bekannt, dass diese Woche 137 Länder sich dazu bekannt haben, ihre Bemühungen um eine Reform fortzusetzen und eine Einigung bis Ende 2020 anzustreben. „Es ist dringender denn je, dass die Staatengemeinschaft die steuerlichen Herausforderungen, die durch die Digitalisierung entstehen, adressieren und gemeinsam das internationale Steuersystem generalüberholen“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria.

Doch nach Informationen des Handelsblatts schießt die US-Regierung weiter quer. „Die USA sehen die Pläne weiter kritisch. Den OECD-Zeitplan noch einzuhalten, wird daher eng“, erfuhr das Handelsblatt aus Verhandlungskreisen.

Die Amerikaner haben kein Problem mit einer Mindeststeuer. Etwas Ähnliches hat die Trump-Regierung bereits im Zuge ihrer großen nationalen Steuerreform eingeführt. Problematisch findet die US-Regierung die Pläne für eine globale „Digitalsteuer“. Die US-Regierung fürchtet, die Steuer könnte vor allem ihre heimischen Firmen benachteiligen.

Zeitplan stockt

Im Dezember hatte die US-Regierung der OECD völlig überraschend einen Brandbrief geschrieben, nachdem die Verhandlungen zuvor auf gutem Wege schienen. Die Bestrebungen der OECD drohten sich auf langjährige Pfeiler des „internationalen Steuersystems“ auszuwirken und könnten diese unterlaufen, warnte US-Finanzminister Mnuchin in dem Schreiben und schlug eine Alternative vor, eine so genannte „Sichere-Hafen-Lösung“. Diese würde den OECD-Vorstoß deutlich abschwächen, weil Konzerne dann die Wahl hätten, ob sie sich dem neuen Steuerregime unterwerfen oder nicht. Damit geriet auf einmal der komplette Zeitplan der OECD ins Wanken.

Der Vorschlag der USA findet sich nun in dem OECD-Vorstoß wieder. Doch das macht die ganze Reform deutlich komplizierter. Unproblematisch ist, dass die USA Konzernen Anreize bieten wollen, wenn sie sich den neuen Steuerregeln zu unterziehen. So sollen sie etwa Vorteile bei Streitbeilegungsverfahren genießen. Das Problem ist aber, dass niemand genau weiß, was die Alternative ist, wenn sich Unternehmen der neuen globalen Digitalsteuer nicht unterwerfen wollen.

Aus Sicht europäischer Länder würde für die Konzerne dann die nationalen Digitalsteuern gelten, die die Länder sozusagen hinter der globalen Steuer für sich als Sicherheitsnetz aufgebaut haben. Damit bestünde für viele Länder ein Anreiz, die nationalen Regeln möglichst scharf zu fassen, damit die internationale Steuer nicht unterlaufen wird. Die Sache ist nur: Genau das wollen die Amerikaner nicht. Die Reform droht damit festzustecken.

Sollte die OECD-Reform komplett scheitern, hätte das womöglich schwerwiegende Konsequenzen. Wenn es nicht gelinge, die Besteuerung international tätiger Großkonzerne wie Facebook und Starbucks wie geplant in diesem Jahr grundlegend zu reformieren, „dann bekommen wir einen Steuerkrieg“, warnte Pascal Saint-Amans, der OECD-Verhandlungsführer in den internationalen Gesprächen. Dieser „Steuerkrieg wird wiederum einen Handelskrieg auslösen“.

Insgesamt 40 Länder stünden in den Startblöcken, einseitig Maßnahmen zu ergreifen, wenn keine internationale Reform gelänge. Als Beispiele nannte Saint-Amans Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und andere Länder. Deutschland ist dafür, eine EU-weite Digitalsteuer einzuführen, wenn eine Lösung auf OECD-Ebene nicht klappt.

Dann aber könnte der gesamten EU drohen, was Frankreich schon erfahren musste: Vergeltungsschläge der USA. Die Vereinigten Staaten hatten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos damit gedroht, Einfuhrzölle auf europäische Autos zu verhängen, falls Frankreich wie geplant eine Digitalsteuer erheben sollte. Die gleiche Drohung schickte Mnuchin anderen Ländern gleich mit hinterher: Wer eine Digitalsteuer einführe, so der US-Finanzminister, „wird sich mit Zöllen von Präsident Trump konfrontiert sehen“.

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