https://p5.focus.de/img/fotos/origs11606980/5394232126-w630-h270-o-q75-p5/bildschirmfoto-2020-01-29-um-16.jpg
dpa

FOCUS Online exklusiv: Umfrage: Nur wenige Schulträger beantragen bislang Fördermittel aus Digitalpakt

by

Deutschlands Schulen sollen digitaler werden: Mit dem Digitalpakt fördert die Bundesregierung Investitionen von Kommunen und Länder in Technik. Das Geld fließt allerdings nur langsam, hat eine Umfrage von FOCUS Online und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund ergeben. Die Schulen klagen über zu viel Bürokratie und fühlen sich von den Ländern im Stich gelassen.

Mehr iPads, schnelles Internet und smarte Tafeln: Mit dem Digitalpakt will die Bundesregierung Deutschlands Schulen endlich aus der Kreidezeit führen. Das ist dringend nötig: In der Digitalisierung ist die Bildungslandschaft international abgehängt, so das vernichtende Ergebnis einer Studie der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft".

Seit Mai 2019 können Länder und Kommunen deswegen mehr als fünf Milliarden Euro für Investitionen in moderne Schul-Technik beantragen. Doch mehr als ein halbes Jahr später zeigt sich, dass das Geld nur langsam abfließt. Das hat eine bundesweite Umfrage von FOCUS Online und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) unter Schulträgern ergeben.

Die Umfrage "Digitalpakt" - Methodik

Die Umfrage wurde vom 21.11. bis zum 16.12.2019 durchgeführt. 363 Schulträger, die insgesamt 1570 Schulen repräsentieren, haben den kompletten Fragebogen beantwortet. Die Antworten wurden nach dem tatsächlichen Anteil der Schulen des jeweiligen Bundeslandes an allen Schulen in Deutschland gewichtet. Bis auf Hamburg nahmen alle Bundesländer und Stadtstaaten an der Umfrage teil.

Demnach haben 82 Prozent der Schulträger in Deutschland noch keine Mittel aus dem Digitalpakt beantragt, wollen dies aber nachholen. In vielen Bundesländern mussten die Träger monatelang warten, bis entsprechende Verwaltungsvorschriften erlassen waren, um überhaupt Anträge stellen zu können. 

https://p5.focus.de/img/fotos/origs11613518/6413834964-w630-h342-o-q75-p5/beantragung.jpg
sk/FOCUS Online (Angaben in Prozent)

Schulen klagen über zu viel Bürokratie

Deutlich schneller sind der Umfrage nach Bayern, Berlin und Bremen, wo überdurchschnittlich viele Anträge schon abgeschickt wurden. Das Zögern hat seinen Preis: Eine Auswertung des "Tagesspiegel" hatte im Januar ergeben, dass bislang insgesamt nur 20 Millionen Euro aus dem Pakt bewilligt wurden.

Die Antworten der Schulträger lassen erahnen, dass es an mehreren Stellen hakt. Die Mehrheit der Befragten (44 Prozent) findet den Verwaltungsaufwand im Vergleich zu den Förderleistungen unangemessen hoch, nur ein gutes Fünftel empfindet ihn als angemessen. Außerdem beklagen 65 Prozent, dass die operative Hilfe durch das Land bei der Umsetzung nicht ausreiche. Besonders groß ist der Ärger in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen.

Landsberg: "Umsetzung steckt in den Kinderschuhen"

Und die neue Infrastruktur will auch unterhalten werden – doch auch da hapert es. Mehr als jeder zweite Schulträger gibt an, er könne den IT-Support für die geförderten Projekte nicht gewährleisten, 76 Prozent können die Folgekosten nicht decken, 69 Prozent halten die Lehrerschaft für nicht ausreichend auf die Umsetzung vorbereitet. Dennoch erhoffen sich mehr als die Hälfte der Träger, dass sich die Lehrqualität verbessert.

https://p5.focus.de/img/fotos/origs4380127/8288511147-w630-h472-o-q75-p5/urn-newsml-dpa-com-20090101-150103-99-00611-large-4-3.jpg
dpa/Britta Pedersen
DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

"Die Umfrage zeigt einmal mehr, dass die Umsetzung des Digitalpaktes vielerorts noch in den Kinderschuhen steckt", sagt DStGB-Chef Gerd Landsberg. "Bund, Länder und Kommunen sollten jetzt gemeinsam alles daransetzen, die Digitalisierung in den Schulen voranzubringen und den wichtigen Digitalpakt am Ende doch noch zu einer Erfolgsgeschichte zu machen."

Dazu gehöre, die Fortbildung der Lehrer konsequenter voranzutreiben und die bürokratischen Vorgänge zu verschlanken. Außerdem sollten die Länder die Schulträger stärker unterstützen, etwa mit Dienstleistern außerhalb des regulären Schulbetriebs. "Die vor Ort immer wieder praktizierte Lösung, einzelne Lehrpersonen mit dieser Aufgabe zu betrauen, trägt nicht", sagt Landsberg.

Meyer: "Jedes weitere Jahr in der Kreidezeit ist ein verlorenes Jahr"

Der FDP-Haushaltspolitiker Christoph Meyer nennt es gar ein "Armutszeugnis", dass das Geld nicht abgerufen werde. Jedes weitere Jahr "in der Kreidezeit ist ein verlorenes Jahr für die Bildungskompetenz", sagt er. Der Digitalpakt habe in einigen Ländern und im Bund offenbar "nicht die Priorität, die er haben müsste". Wie groß der Mangel ist, sehe man alleine schon daran, wie viele Schulen mit dem Geld ein eigene Internet-Infrastruktur aufbauen müssen.

Karliczek: "Bin optimistisch, dass der Digitalpakt vorankommt"

Die Bundesregierung sieht den Digitalpakt dennoch im Plan. „Es überrascht nicht, dass bislang erst wenige Mittel abgerufen wurden“, sagte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek (CDU), dem FOCUS.

Die Schulen bräuchten noch mehr Zeit, um didaktische Konzepte für digitale Lehrmethoden zu erstellen. Außerdem sei der Planungsstand in den Ländern bereits viel weiter vorangeschritten. „Deshalb bin ich sehr optimistisch, dass die Digitalisierung unserer Schulen rasch vorankommt“, betonte Karliczek.

Schnelles Internet und iPads: Dafür wollen Schulen die Milliarden verwenden

Tatsächlich steht auf der Wunschliste der Schulen ein eigenes LAN- oder WLAN-Netz ganz oben. 92 Prozent der Befragten gaben an, dieses aufbauen zu wollen. 87 Prozent wollen mit dem Digitalpakt-Geld interaktive Tafeln, sogenannte Smartboards, anschaffen. An dritter Stelle (77 Prozent) steht der Wunsch nach mobilen Endgeräten wie Tablets. 81 Prozent der Befragten sagen aber auch, dass sie die Maßnahmen auch ohne den Digitalpakt umgesetzt hätten.

https://p5.focus.de/img/fotos/crop11613526/2797042068-cfreecrop-w630-h348-ocx0_y35-q75-p5/verwendungszweck.jpg
sk/FOCUS Online

Eine knappe Mehrheit schätzt den Stand der Digitalisierung an seiner Schule dennoch gut ein. Anders Berlin und Brandenburg – dort wird der Stand überwiegend schlecht bewertet.

https://p5.focus.de/img/fotos/origs11613489/756456623-w630-h406-o-q75-p5/stand-digitalisirung.jpg
sk/FOCUS Online

Träger wünschen sich einfacheren Antragsprozess

Diese Redaktion wollte außerdem von den Schulträgern wissen, wie sich der Digitalpakt verbessern ließe. Viele wünschen sich demnach einen deutlich einfacheren Antragsprozess. Dieser sei "viel zu kompliziert", "unschlüssig" und "kaum zu bewerkstelligen", schrieben uns die Umfrage-Teilnehmer. So werde die "Förderung verbrannt", für eine Vielzahl der Schulen sei das Verfahren "kaum zu stemmen". 

Mehrere äußern den Wunsch, nur einen Antrag pro Schulträger stellen zu können – und nicht pro Schule. Zudem findet ein Teilnehmer der Umfrage "den Informationsfluss katastrophal." Man wisse "besser Bescheid als das Kultusministerium".

"Es braucht einen zweiten Digitalpakt"

Außerdem scheuen einige Kommunen das finanzielle Risiko und wünschen sich, dass der Digitalpakt über das Jahr 2024 fortbesteht und auch die Folgekosten für die Wartung der Geräte und die höheren Betriebskosten übernommen würden. Die Geräte müssen in der Regel nach wenigen Jahren ersetzt werden. Außerdem kostet die Wartung Geld. All das ist nicht in der Förderung vorgesehen.

https://p5.focus.de/img/fotos/origs11613764/5844869688-w630-h293-o-q75-p5/probleme.jpg
sk/FOCUS Online

"Es brauch einen zweiten Digitalpakt über 2024 hinaus", schreibt ein Teilnehmer. Ein anderer bemerkt: "So kann keine Beständigkeit geschaffen werden. Spätestens, wenn die ersten Geräte ausgetauscht werden müssen, wird der Unterschied zwischen finanzstarken und -schwachen Kommunen sehr deutlich."

Auch die Fortbildung der Lehrer beschäftigt die Schulen. Einige Teilnehmer wünschen sich, dass das Personal zur Fortbildung vom Land freigestellt werde.

https://p5.focus.de/img/fotos/origs10161113/2028215391-w630-h90-o-q72-p4/dld-header-app-996x143-min-alt.jpg
FOCUS Online / Shuang Liu

DLDaily

Die Digitalisierung verändert Deutschland – zum Positiven, wenn wir es richtig anpacken. Auf der Digitalkonferenz DLD, die wie FOCUS Online zu Hubert Burda Media gehört, diskutieren Experten mehrmals im Jahr über diese Entwicklungen. Diesen Geist, diese Themen, möchte FOCUS Online seinen Lesern das ganze Jahr über bieten: mit DLDaily. FOCUS Online spricht für DLDaily mit Menschen, die Konzepte für die digitale Zukunft haben: mit innovativen Politikern, visionären Denkern, kreativen Gründern. Wir erklären die neuen Technologien und zeigen, wie sie sich in Beruf und Privatleben nutzen lassen.

Alle DLDaily-Artikel finden Sie hier.

Auch die Investitionen in ein schuleigenes Netz lässt einige Schulträger ratlos zurück. Dafür müsse "teils tief in die Gebäudesubstanz eingegriffen werden", schreibt einer. Die dadurch entstehenden Kosten könnten mit den Mitteln des Digitalpakt nicht abgedeckt werden. Ein anderer weist auf die vollen Auftragsbücher bei Elektro- und Tiefbaubetrieben hin. "Das setzt uns mit Blick auf den Förderzeitraum unnötig unter Druck."  

"Zu geringe Mittel"

Teilnehmer der Umfrage finden außerdem, dass die Gelder nicht alle Bedürfnisse abdecken. Mehrere weisen darauf hin, dass die Deckelung der Fördermittel bei 25.000 Euro pro Schule für mobile Endgeräte "sehr ungünstig" sei. Schulen, die bereits viel Geld in die digitale Infrastruktur investiert hätten und nun neue iPads bräuchten, würden dabei nicht berücksichtigt.

Die Förderung bedenke ebenfalls nicht, dass auch Lehrer mobile Endgeräte "dringend" benötigten. Außerdem besteht der Wunsch, auch mehr Software zu fördern.  "Die bereitgestellten Mittel sind gemessen an der Aufgabe und der gesellschaftlichen Bedeutung viel zu gering", schreibt einer.