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Sarah Connor: dpa/Annette Riedl/dpa; Helene Fischer: dpa/Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa; Capital Bra: Uli Deck/dpa Helene Fischer, Capital Bra und Sarah Connor (v. l. n. r.)

Aufstand gegen Streaming-Regeln: Helene Fischer vs. Capital Bra: Das steckt hinter dem Millionen-Zoff um Spotify

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Im deutschen Musikgeschäft hat es einen solchen Aufstand der Stars noch nie gegeben: 14 Manager und Anwälte von Musikern haben sich gegen die vier führenden Plattenfirmen zusammengeschlossen.

Darunter Vertreter deutscher Musikstars wie Rammstein, Helene Fischer, die Toten Hosen, Peter Maffay und Sarah Connor. Ihre Forderung in einem gemeinsamen Schreiben: ein größerer Anteil an den stark wachsenden Einnahmen aus dem Streaming.

Demnach gebe es "das dringende und grundlegend Bedürfnis", die Methoden zu überprüfen, nach denen Musik-Streaming-Anbieter wie Spotify die Künstler bezahlen. Die Vertreter stellen sogar infrage, ob die derzeitigen Regelungen zum Streaming "rechtskonform" sind. Zuerst hatte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS)" berichtet.

Zur Erklärung: Die Abrechnung erfolgt beim Musik-Streaming grundlegend anders als beim CD-Verkauf. Abgerechnet wird einzig und allein nach gestreamten Inhalten. Wird ein Lied 100.000 Mal gehört, bekommt der Künstler einen gewissen Betrag ausgezahlt – ganz egal, ob die 100.000 Streams von einer einzigen Person ausgehen, oder ob der Musiker 100.000 Personen (wie beim Plattenverkauf) dazu gebracht hat, den Song ein einziges Mal zu hören.

Für 100.000 Streams zahlt Spotify übrigens gut 300 Euro an die Plattenfirma. Wie viel dann am Ende beim Künstler ankommt, variiert je nach Vertrag, doch die Unterzeichner des Schreibens sind sich in dem Punkt einig, dass es zu wenig ist.

Klassische "CD-Künstler" sind bei diesem System im Nachteil

Klassische "CD-Künstler" wie Sarah Connor oder Helene Fischer "verlieren" bei diesem System im Vergleich zu Streaming-Giganten wie den Rappern Capital Bra oder RAF Camora. Während erstere zwar deutlich mehr Platten verkaufen, räumen die beiden Männer über Spotify ab. Und das nicht zu knapp, denn inzwischen werden über 50 Prozent aller Einnahmen im Musikgeschäft mit Streams gescheffelt.

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dpa/Henning Kaiser/dpa Helene Fischer (l) in der ARD-Fernsehshow "Schlagerbooom 2019".

Helene Fischer und Sarah Connor wurden laut Informationen der "Bild"-Zeitung im Jahr 2019 168 Millionen und 157 Millionen Mal gestreamt – Capital Bra und RAF Camora trumpften dagegen mit 1,8 Milliarden und 908 Millionen auf. Ein himmelweiter Unterschied, der unter anderem auch mit den unterschiedlichen Zielgruppen zu begründen ist.

Helene-Fischer-Fans sind traditionell älter und haben lieber noch eine CD im Regal stehen. Rap wird dagegen größtenteils von Teenagern und jungen Erwachsenen gehört, die konstant um die 10 Euro im Monat für ein Abonnement bei Spotify oder Apple Music ausgeben und ihre Lieblingslieder in Endlosschleife hören.

Dazu kommt, dass die Künstler an einer CD nur einmal verdienen, egal wie häufig diese angehört wird – über Streams kann jedoch über Monate und Jahre mit einem einzigen Lied Geld verdient werden.

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dpa/Uli Deck/dpabild Der deutsche Rapper Capital Bra.

Vorwürfe der Klickzahlenmanipulation

"Das System ist manipulierbar, wenn sich alles um Klickzahlen dreht, die mit einfachen Mitteln beeinflussbar sind. Den Plattenfirmen ist das egal, so lange die Kohle reinkommt, aber sie berauben sich damit selbst ihrer Zukunft", kritisierte die Künstler-Vereinigung in ihrem Schreiben sowohl Spotify als auch ihre Adressaten, die vier führenden Plattenfirmen Universal, Sony, Warner und die Bertelsmann-Musiksparte BMG.

Tatsächlich wurden in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe laut, Künstler würden Klickzahlenmanipulation betreiben und beispielsweise über Fake-Accounts Lieder in Dauerschleife laufen lassen, um ihre Ausschüttungen in die Höhe zu treiben. Auch können Künstler mit starker Social-Media-Präsenz (zum Vergleich: Capital Bra folgen auf Instagram 3,9 Millionen Menschen, Helene Fischer nur 732.000) leicht an ihre Follower appellieren, ihre Hits rauf und runter zu hören.

Kleinere Künstler verdienen fast nichts

"Vom derzeitigen Verteilungssystem von Spotify profitieren nur die extrem erfolgreichen Künstler. Kleinere Künstler und Bands bekommen fast nichts. Auch die Songschreiber orientieren sich danach, was am meisten Geld bringt und schreiben dann nur noch für HipHopper", stellten Manager und Anwälte abschließend fest.

Die Manager der Musikstars forderten die Vertreter der Plattenindustrie laut "FAS" zu einem Treffen im Februar in Berlin auf, um über das Thema zu beraten. Eine Sprecherin von Warner Music sagte jedoch, das Unternehmen werde an der Verhandlungsrunde nicht teilnehmen. Grund dafür seien unter anderem wettbewerbsrechtliche Bedenken.

BMG teilte hingegen in einer Stellungnahme mit: "Wir begrüßen nachdrücklich den Versuch, die Ungerechtigkeiten traditioneller Plattenverträge zu beleuchten. Der Brief ist von einigen der angesehensten deutschen Musikmanagern unterzeichnet und sollte ernst genommen werden. Wir brauchen eine vernünftige und erwachsene Debatte. Wir halten es in einer Welt, in der die Plattenfirmen nicht mehr die Kosten für das Pressen und die Distribution physischer Produkte tragen, nicht für gerechtfertigt, den Löwenanteil der Streaming-Einnahmen einzubehalten. Die Welt hat sich verändert. Es ist an der Zeit, dass sich auch die Plattenfirmen ändern."

Von den zwei anderen Plattenfirmen erhielt die Zeitung zunächst keine Stellungnahme.

Neue Welle der Kritik: Haben die Öffentlich-Rechtlichen noch eine Daseinsberechtigung?

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