Es war nicht alles schlecht mit den Briten
Die EU hat von 47 Jahren Mitgliedschaft Londons massiv profitiert.
by Michael SchmölzerEs ist vollbracht, Großbritannien verlässt heute 0.00 Uhr die Europäische Union. Dem folgenschweren Schritt vorausgegangen ist nicht nur ein Referendum, sondern vor allem ein quälend langer Brexit-Hickhack im britischen Parlament.
Und jetzt? Europäer und Briten versichern zwar, dass man "Freunde" bleiben werde. Die Wahrheit ist, dass die Insel emotional vom Kontinent schon ein ganzes Stück abgerückt ist und das Gleiche auch für den Kontinent gilt. Was jetzt folgt, ist eine unaufhaltsame Entfremdung, die nicht schöngeredet werden kann.Die Stimmung in Großbritannien ist schon eine andere als noch vor fünf Jahren, der österreichische Botschafter in London, Michael Zimmermann, weiß das aus erster Hand. Im gesellschaftlichen Diskurs werde jetzt öfter die Frage gestellt: "Bist Du Brite oder bist Du nicht Brite", sagt er. Es liegt eine ungute Stimmung in der Luft.
Ein Abrücken, dass die, die als EU-Ausländer schon lange in Großbritannien leben, traurig stimmt. Einige haben ihre Koffer bereits gepackt und gehen. Andere denken über einen solchen Schritt nach. Viele sind verunsichert. Die Insel hat ihre magische Anziehungskraft auf Kontinentaleuropäer eingebüßt. Wer früher als Schüler zur Sprachbildung nach England kam, der konnte etwas erzählen. Die Briten waren Avantgarde, haben den Pop erfunden und die Welt mit Exporten von Monty Pythons bis James Bond geprägt. London, das war Buntheit und Vielfalt. Die Brexiteers sprechen zwar von einer neu gewonnen Freiheit, aber jetzt wird alles enger und bornierter. Tröstlich ist zumindest, dass es auch viele Briten gibt, die die EU vermissen. In Dover hängt ein riesiges Banner mit der Aufschrift "We still love EU".
Die EU war mit den Briten weltoffener
Stellt sich die Frage, ob alles schlecht war in den 47 Jahren britischer EU-Mitgliedschaft. War es nicht: Großbritannien hat der EU-Stabilität gebracht, London war traditionelle Brücke über den Atlantik und hat die Commonwealth-Staaten an Europa gebunden. Die EU war mit den Briten offener und weltgewandter. Auch in Zukunft hätte Europa sicherheitspolitisch von der militärischen Stärke der Briten profitiert. Vor allem, wenn man das Abrücken der USA unter US-Präsident Donald Trump in Betracht zieht. Die EU ist auf den Aufbau einer eigenen militärischen Komponente angewiesen, der Rückzug Großbritanniens kommt einer Katastrophe gleich. Die EU verliert die weltweit sechstgrößte Volkswirtschaft, ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates und einen Nettozahler.
Das sind die Tatsachen. Trotzdem macht es keinen Sinn, über verschüttete Milch zu klagen. In Europa hat man das Thema abgehakt und richtet den Blick wieder nach vorne. Trotzdem belibt Wehmut zurück.