Acht Opfer
Au-Pair-Mädchen nach Tirol gelockt und ausgebeutet
by krone.atEs ist ein unfassbarer Fall der Ausbeutung, den die Tiroler Polizei am Freitag veröffentlichte: Ein Paar soll zahlreiche Au-Pair-Mädchen, unter dem Vorwand auf den acht Monate alten Sohn der Frau aufzupassen, nach Tirol gelockt haben. In Wahrheit mussten die jungen Frauen aber in der Putzfirma der italienischen Frau arbeiten - und das bis zu 105 Wochenstunden. Entsprechende Entlohnung gab es keine, die Unterkunft bestand aus einem Raum mit Matratzen am Boden. In zwei Fällen soll es sogar zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Das Landeskriminalamt ermittelte wegen des Verdachts des Menschenhandels.
Der Polizeibericht liest sich wie ein Krimi: Eine 34-jährige Italienerin und ihr 26-jähriger syrischer Freund lockten insgesamt acht Mädchen nach Tirol, wo sie in unfassbarer Art und Weise ausgebeutet wurden.
Hinweis von der Finanzpolizei
Aber zum Anfang: Im Frühjahr 2019 begann das Landeskriminalamt nach einem Hinweis der Finanzpolizei zu ermitteln. Die aus Deutschland zugezogene 34-jährige Italienerin stand unter dem Verdacht, ein 22-jähriges Au-Pair-Mädchen aus Togo nach Tirol geholt zu haben und sie entgegen jeder Vereinbarung weder entsprechend für ihre Arbeit entlohnt, noch ihr eine angemessene Unterkunft zur Verfügung gestellt zu haben.
Verdacht des Menschenhandels
„Nach einem entsprechenden Bericht des Landeskriminalamts an die Justizbehörden hat die Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen die Italienerin unter anderem wegen des Verdachts des Menschenhandels ein Ermittlungsverfahren eröffnet“, heißt es vonseiten der Behörden.
Sieben weitere Opfer
Im Zuge dieser Ermittlungen stellte sich heraus, dass das 22-jährige Mädchen bei Weitem nicht das einzige Opfer des Paares war. Über eine eigene Au-Pair-Agentur lockte das Paar bis Ende des Vorjahres insgesamt acht junge Frauen nach Tirol, um sie „in großem Umfang in ihrer Arbeitskraft auszubeuten“, wie es von der Polizei heißt. Auffällig dabei ist, dass es sich ausschließlich um Drittstaatsangehörige aus Togo, Marokko, Madagaskar und Georgien handelte.
Falsche Versprechungen
„Die Frauen wurden alle mit dem Versprechen nach Tirol gelockt, bei maximal 20 Stunden Wochenarbeitszeit, freien Tagen, einer adäquaten Unterkunft und einem angemessenen Taschengeld auf den acht Monate alten Sohn der Italienerin aufzupassen“, schildert die Polizei. Zudem wurde ihnen der Besuch eines kostenlosen Deutschkurses in Aussicht gestellt.
Bittere Realität
Die Realität erwies sich für die Au-Pair-Mädchen als eine andere: Die jungen Frauen mussten laut Polizei nicht nur im Haushalt der Italienerin, sondern auch in ihrer Putzfirma helfen - in Einzelfällen bis zu 105 (!) Wochenstunden -, ohne aber eine entsprechende Entlohnung zu erhalten. „Auch die Unterbringung der Frauen entsprach keinesfalls dem versprochenen Standard. Die Mädchen wurden gezwungen, auf Matratzen am Boden gemeinsam mit anderen Personen zu schlafen“, erklärt die Polizei.
Sexuelle Übergriffe
Insgesamt wurden auf diese Weise acht Frauen im Alter von 18 bis 27 Jahren ausgebeutet. „In zwei Fällen soll es auch zu sexuellen Übergriffen durch eine dritte Person gekommen sein, die dies aber in Abrede stellt“, erklären die Ermittler weiter. Über richterliche Anordnung wurden die beiden Beschuldigten am 22. Januar festgenommen und zwei Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei wurde ein niedriger dreistelliger Bargeldbetrag sichergestellt. Das Paar wurde am 23. Januar auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wieder auf freien Fuß gesetzt. „Nach Abschluss der Erhebungen wird ein Bericht an die Staatsanwaltschaft erstattet werden“, so die Polizei abschließend.