Heinz Rothacher: «Viele Fintechs sind kalter Kaffee»
Der Banking-Veteran Heinz Rothacher ist auf seiner jüngsten Karrierestation Entrepreneur geworden – und führt mit Complementa ein etabliertes Unternehmen, das sich zum Fintech gemausert hat.
Dem gängigen Bild eines Fintech-CEO entspricht Heinz Rothacher sicher nicht. Vom Äusseren her tritt er einem korrekt in Anzug und Krawatte entgegen, statt in Logo-T-Shirt und bunten Socken.
Vor allem aber hat der Finanzprofi wohl mehr Branchenerfahrung als mehrere der aufstrebenden «Fintechies» zusammen: Als Banker bei den Marktführern UBS und Credit Suisse (CS), als Länderchef des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock in der Schweiz, dann als Chef des Analyse- und Beratungshauses Complementa und schliesslich als dessen Eigentümer.
US-Riese stieg ein – und wieder aus
Dazu passt seine Charge Complementa, für die sich das Urgestein nochmals zum Jungunternehmer wandelte. 1984 in St. Gallen gegründet, ist die auf Beratung und Investment-Analyse spezialisierte Firma ein Fixpunkt im Schweizer Pensionskassen-Wesen. 2011 wurde sie jedoch von der Gründerfamilie Brandenberger an den US-Depotbank-Riesen State Street veräussert. Die Amerikaner bestellten Rothacher 2012 zum Chef der Tochter – und verkauften die Firma 2016 an ihn weiter.
Und nun operiert die mehr als drei Dekaden «alte» Complementa mit Veteran Rothacher an der Spitze als eigentliches Fintech.
Schnittstellen im Eigenbau
Mit der selber entwickelten Software Allocare misst Complementa die Performance von Pensionskassen, aber nicht nur. Zu den rund 180 Kunden zählen laut Rothacher auch Family Offices und schwerreiche Private. Die für die Messungen nötigen Daten werden von Depotbanken und Indexherstellern herübergeholt – mittels digitaler Schnittstellen, die das Unternehmen grösstenteils selber baut.
Aktuell ist Complementa etwa daran, der Klientel klare Parameter fürs Abschneiden von nachhaltigen Anlagen im Portefeuille an die Hand zu geben. Dabei geht es nicht nur um Reporting, sondern die Institutionellen werden auch beraten, was man damit tun kann.
Wie Aladdin für die Grossen
Das Versprechen ist kühn. Für Investoren mit Vermögen zwischen 1 und 25 Milliarden Franken will Complementa das bieten, was die Blackrock-Plattform Aladdin oder Anbieter wie Simcorp auf einem ganz anderen Niveau in Sachen Preis und Komplexität verkaufen.
Sinnigerweise ist ein wichtiges Verkaufsargument des verkappten Fintechs der «track record», sprich die jahrzehntelange Erfahrung beim Sammeln von Daten. Darin sieht Rothacher einen wesentlich Unterschied zu Startups, die zuweilen bloss auf eine ansprechende Front-Applikation setzten. «Viele Fintechs sind bereits wieder kalter Kaffee», beobachtet er.
Auf Fintech-Fang
Und noch ein Unterschied zur Fintech-Szene gibt es. Während die meisten Startup-Firmen dort Geld verbrennen, arbeitet Complementa mit ihren rund 70 Mitarbeitenden und Tochterfirma in Deutschland laut eigenen Angaben rentabel. Rothacher erhöhte letztes Jahr das Eigenkapital der Gesellschaft auf 1 Million Franken.
Dies erlaubt es dem Eigner und Chef, nach anderen Fintechs zum Kauf Ausschau zu halten – und bereits an die nächste Complementa-Generation zu denken. In der Firma arbeiten mittlerweile auch seine Frau und sein ältester Sohn.