Tanzgastspiel in Köln
Dauerfeuer der Hormone
by Nicole StreckerKöln - Kein Risiko. Nicht bei diesem Gastspiel im Kölner Depot mit einer Kombination aus dem renommierten Jugendensemble „Nederlands Danse Theater 2“ und Stücken der großen bis ganz großen Choreographen unserer Zeit - garantierter Toptanz.
Da wäre etwa Altmeister Hans van Manen mit seinem Quartett „Simple Things“, in dem natürlich nichts „simpel“ ist. Jedenfalls nicht, wenn die Frauen in dieser Doppel-Paar-Konstellation die Bühne betreten und mit ihnen das Bewusstsein von Vergänglichkeit und Tod die bis zu ihrem Erscheinen ganz vergnügten Jungs packt. Das ewig Weibliche also für den betörenden Tanz mit Tiefgang – man dankt es den Damen nach dem doch arg neckischen Männer-Scherzo.
Außerdem wäre da Noch-NDT-Chef Paul Lightfoot (er verlässt das Ensemble zum Ende der Spielzeit) und seine Partnerin Sol León – auch sie mit einem Stück wie ein Widerspruch zum eigenen Titel: „Sad Case“ ist keineswegs ein Fall von Traurigkeit, sondern eine originelle Tanzburleske mit gummiweichem Slapstick und viel Begeisterung fürs exponierte Gesäß.
Als Grund für die Hysterie-Heiterkeit nennen die beiden gern ihre werdende Elternschaft: hüpfende Hormone während Leóns Schwangerschaft, wie Lightfoot bekennt, als Geburtshelfer dieser Choreographie. Überhaupt die Hormone! Sie dürften alle Stücke an diesem Abend befeuert haben, insbesondere „Wir sagen uns Dunkles“. Eine choreographische Jagd auf den süßen Vogel Jugend, oder besser: seine verrückt-abgründige Flatterhaftigkeit im einzigartigen Präzisions-Hektik-Stil von Marco Goecke – wie so oft bei den Kölner Gastspielen der Höhepunkt des ohnehin starken Abends. Denn so anstrengend ein Goecke als abendfüllendes Stück sein kann, so vitalisierend sind seine Beiträge bei mehrteiligen Programmen.
Eleganter Verführungstanz
Sehr clever, dann dem stressigen Goecke lässigen „Mutual Comfort“ folgen zu lassen, ein Stück des Rumänen Edward Clug. Ein eleganter Verführungstanz zweier Paare, die offenbar noch nicht entschieden haben: wer nun mit wem und was? Dabei strukturiert ein choreographisches Leitmotiv das Treiben: eine vom Becken ausgehende Welle, so ironisch wie erotisch.
In Sachen Sexappeal und Rampensau-Spaß dürfen die jungen Tänzer des NDT 2 allerdings noch reifen. Sie sind ganz am Anfang ihrer Karriere, zwischen 17 und 22 Jahre jung, technisch virtuos. Man wünscht ihnen Choreographen, die ihr Charisma entfesseln, wie Marco Goecke, dessen Stück als einziges speziell für diese Kompanie kreiert wurde und das feiert, was unbedingt zu ihr gehört: Die Freiheit und Frechheit der Jugend.
Nächstes Tanzgastspiel: Bayrisches Junior Ballett München mit Choreografien von Gerhard Bohner, George Balanchine und Caroline Finn, 28., 29. 2. im Staatenhaus