Bis zu 274 Euro im Jahr: Änderungen auf Januar-Gehaltszettel: Wer jetzt mehr Geld bekommt
by FOCUS OnlineBis zu 274 Euro im Jahr mehr Netto vom Brutto gibt es dieses Jahr für viele Deutsche – ganz ohne Gehaltserhöhung. Grund sind Änderungen bei Einkommensteuer und Sozialversicherung. Wer am meisten bekommt - und warum es noch mehr hätte sein können.
Jetzt ist es soweit: Arbeitnehmer in Deutschland profitieren mit dem Januar-Gehalt erstmals von den Entlastungen bei Einkommensteuer und Sozialabgaben, die die Regierung zum Jahreswechsel beschlossen hatte. Im Klartext: Millionen Deutsche bekommen ab sofort mehr Netto vom Brutto.
Konkret sind bis zu 23 Euro jeden Monat drin, rechnet der IT-Dienstleister Datev in einer Auswertung aus dem Dezember vor. Das mag nicht sonderlich viel erscheinen. Doch aufs Jahr gesehen summieren sich die Beträge auf immerhin 274 Euro, die Sie zusätzlich einstreichen können – und das ganz ohne lästige Gehaltsverhandlung.
Alleinerziehende und Singles können am meisten sparen
Dieser Wert gilt für Alleinerziehende mit einem monatlichen Bruttogehalt von 6500 Euro, die keine Kirchensteuer zahlen und gesetzlich krankenversichert sind. Für die Beispielrechnungen wurde außerdem angenommen, dass die Arbeitnehmer in Bayern leben und arbeiten. Unter diesen Voraussetzungen erhalten Singles ohne Kinder mit 267 Euro fast genauso viel.
Für Verheiratete springt hingegen dann am meisten heraus, wenn sie ein Bruttogehalt von 4500 Euro (alle Werte gelten für Einzelpersonen) im Monat nach Hause bringen: Ohne Kinder sind es 235 Euro, bei zwei Kindern 239 Euro.
Wer wenig verdient, spart nur etwa 10 Euro – pro Jahr
Das Gehaltsplus fällt deutlich geringer aus für diejenigen, die wenig verdienen und entsprechend wenig Steuern zahlen. Datev kommt bei einem Bruttogehalt von 1500 Euro für Verheiratete mit zwei Kindern auf eine Ersparnis von mageren elf Euro – pro Jahr. Bei kinderlos Verheirateten (Steuerklasse III) sind es gar nur acht Euro. Bei Singles und Allerziehenden mit einem Kind sind es immerhin 84 Euro beziehungsweise 66 Euro.
Andererseits sparen diejenigen, die am meisten verdienen, nicht automatisch die meisten Steuern und Sozialabgaben. Vielmehr lässt die Datev-Auswertung zwei Grenzen erkennen:
Grenze 1: 4500 Euro pro Monat
Bis zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von 4500 Euro (54.000 Euro pro Jahr) steigt die Entlastung über alle Steuerklassen hinweg kontinuierlich an.
Nach dieser Grenze aber schrumpft die Ersparnis zunächst: Bei einem Gehalt von 5000 Euro im Monat (60.000 Euro pro Jahr) bleiben Singles plötzlich nur noch 179 Euro mehr als im Vorjahr.
Grenze 2: 6500 Euro pro Monat
Anschließend steigt der Betrag wieder an, um für Singles und Alleinerziehende den jeweiligen Höchstwert bei 6500 Euro zu erreichen (siehe oben). Bei 7000 Euro gibt es wiederum einen jähen Rückgang auf Werte um etwa 100 Euro (bei Singles und Alleinerziehenden), die sich anschließend kaum mehr steigern.
Verheiratete müssen bei dieser Grenze ähnliche Einschnitte hinnehmen: Von deutlich über 200 Euro sinkt ihre Ersparnis auf Werte um die 70 Euro. Allerdings steigt diese im weiteren Verlauf wieder deutlich an, wenngleich nicht auf das frühere Niveau. So sind bei 9000 Euro monatlichem Bruttogehalt bei Verheirateten mit zwei Kindern 189 Euro jährliche Ersparnis drin, bei kinderlos Verheirateten 184 Euro.
Wer wann wie viel spart: Die wichtigsten Daten im Überblick
Single (Steuerklasse I):
- Bei 1500 Euro brutto: 84 Euro
- Bei 3000 Euro brutto: 154 Euro
- Bei 4500 Euro brutto: 244 Euro
- Bei 5000 Euro brutto: 179 Euro
- Bei 6500 Euro brutto: 267 Euro
- Bei 7000 Euro brutto: 92 Euro
- Bei 9000 Euro brutto: 94 Euro
Verheiratet mit zwei Kindern (Steuerklasse III):
- Bei 1500 Euro brutto: 11 Euro
- Bei 3000 Euro brutto: 173 Euro
- Bei 4500 Euro brutto: 239 Euro
- Bei 5000 Euro brutto: 145 Euro
- Bei 6500 Euro brutto: 235 Euro
- Bei 7000 Euro brutto: 73 Euro
- Bei 9000 Euro brutto: 189 Euro
Verheiratet ohne Kinder (Steuerklasse III):
- Bei 1500 Euro brutto: 8 Euro
- Bei 3000 Euro brutto: 195 Euro
- Bei 4500 Euro brutto: 235 Euro
- Bei 5000 Euro brutto: 130 Euro
- Bei 6500 Euro brutto: 220 Euro
- Bei 7000 Euro brutto: 67 Euro
- Bei 9000 Euro brutto: 184 Euro
Alleinerziehend mit einem Kind (Steuerklasse II):
- Bei 1500 Euro brutto: 66 Euro
- Bei 3000 Euro brutto: 152 Euro
- Bei 4500 Euro brutto: 242 Euro
- Bei 5000 Euro brutto: 170 Euro
- Bei 6500 Euro brutto: 274 Euro
- Bei 7000 Euro brutto: 99 Euro
- Bei 9000 Euro brutto: 101 Euro
Erklärung für das Netto-Plus
Zum einen wurde der Grundfreibetrag dieses Jahr um 240 Euro auf 9408 Euro angehoben. Somit bleibt ein größerer Teil des Gehalts steuerfrei. Dies wirkt sich umso stärker aus, je höher das Einkommen ist. Denn die höheren Steuersätze treffen nun einen kleineren Teil des Einkommens.
Ferner haben die Experten von Datev den um 192 Euro erhöhten Kinderfreibetrag von jetzt 5172 Euro und den um 0,1 Prozent gesunkenen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung eingerechnet, die das Netto ebenfalls erhöhen. Die Ersparnis würde sogar noch größer ausfallen, wenn nicht zugleich die Beitragsbemessungsgrenzen bei den Sozialversicherungen erhöht worden wären:
- Bei der Kranken- und Pflegeversicherung werden ab sofort bis zu 4687,50 Euro (statt zuvor 4537,50 Euro) berücksichtigt.
- Bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung sind es sogar 6900 Euro (statt 6700 Euro) im Westen und 6450 Euro (statt 6150 Euro) im Osten.
Negativ auf das Netto wirkt sich außerdem der auf 1,1 Prozent gestiegene durchschnittliche individuelle Zusatzbeitrag bei der Krankenversicherung aus. Dieser betrug vorher 0,9 Prozent.
Netto-Plus vergleichsweise überschaubar
Bei aller Freude über das zusätzliche Geld, weisen die Experten allerdings darauf hin, dass das Netto-Plus noch größer hätte ausfallen können. Schließlich brummt die deutsche Wirtschaft, der Staat feiert historische Steuer-Überschüsse - und vor allem: zuletzt gab es noch mehr. „Auch wenn 2020 grundsätzlich alle Arbeitnehmer mehr Netto auf ihr Konto bekommen, fällt die Ersparnis im Vergleich mit den Entlastungen zum vorangegangenen Jahreswechsel deutlich geringer aus“, so das Fazit bei Datev.
Insbesondere die Mittelschicht wird Experten zufolge übermäßig mit Steuern und Abgaben belastet. Die Beträge, um die sie nun entlastet wird, ändern daran kaum etwas. Forderungen nach weitergehenden Steuersenkungen haben die Parteien der Großen Koalition bislang aber abschlägig beschieden.
So kommentierten FOCUS Online-Leser den Beitrag:
"Der Artikel ist der Beweis für die fortschreitende Armut. Viele Kommentare sollten erst einmal inhaltlich durchdacht werden. Neid-Debatte ist des Deutschen Lieblingskind. Warum muss der, der mehr hat, auf den Bedürftigen so geringschätzig reagieren."
"Seit wann verdienen Alleinerziehende um die 6.500 Euro Brutto? Es ist ja schön, dass es eine Steuerentlastung gibt, aber die fällt für Mittelschicht und sozial schwächer Gestellte verschwindend gering aus. Politik im Sinne des Volkes und der breiten Masse schaut anders aus."
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