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Bild: dpa/V. Le Caer
Konzertkritik | "New Sound of Classical" im Kesselhaus

Nahbare Neoklassiker spenden Trost

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Audio: Inforadio | 31.01.2020 | Hans Ackemann

"Künstler einer neuen Klassik-Generation" waren für gestern Abend in Berlin angekündigt - und das im Kesselhaus in der Kulturbrauerei. Der richtige Ort, um Pop und Klassik auf einem großen Konzertflügel in der Mitte des Podiums zu vereinen. Von Hans Ackermann

Ein kräftiges Bühnengewitter zieht im Kesselhaus über den großen Videoschirm, mit Stroboskopblitzen und einem mächtigem Donnergrollen aus den Saallautsprechern - von wegen ruhiger Klavierabend.

Die Klangwucht des Mailänder DJ und Electro-Produzenten Dario Faini, der mit seinem "Dardust"-Projekt als Höhepunkt des Abends auftritt, fällt aber nur deshalb so stark auf, weil die beiden Künstler davor so leise gespielt haben. Dirk Maassen etwa, sein Stück "To Fly" beginnt mit einem einzelnen Klavierton. Der Ton wird wiederholt, dann noch einmal gespielt, und noch einmal wiederholt - bis der Flug dann endlich losgeht, mit einer kleinen Klaviermelodie in der rechten und ein paar tiefen Tönen zur Begleitung in der linken Hand. Keine Hektik, kein Stress, nicht zu viele Noten, keine großen Sprünge auf der Tastatur - neoklassische Meditationen am Klavier sind spieltechnisch überschaubar.

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Bild: kesselhaus.net/G. Hohenberg

Eigene Songs

Mit seinen selbstkomponierten Klavierstücken, die man auch als Noten zum Nachspielen erwerben kann, wird Dirk Maassen millionenfach im Netz gestreamt. Niemals, erzählt der sympathische und etwas schüchtern wirkende Musiker dem Publikum, habe er vor einigen Jahren mit einem derart großen Erfolg gerechnet. Angefangen habe alles mit einem Song aus dem "Homestudio", den er zum Spaß auf eine Musikplattform geladen hätte, um sich dort schon nach kurzer Zeit in den Charts wiederzufinden.

Business

Der britische Pianist Alexis Ffrench, der nach Dirk Maassen am Flügel Platz nimmt, ist sogar noch etwas erfolgreicher, erzielt noch mehr Streams pro Monat. Streaming, die neue Währung im Musikbusiness, das sich mit Abenden wie diesen gerade einen neuen Geschäftszweig aufbaut. Getragen von sympathischen Künstler, die wie Maassen oder Ffrench zwischen jedem Song mit dem Publikum sprechen. Nahbare Neoklassiker, die mit ihrer Musik den Menschen auch Trost spenden und neuen Mut geben würden, wie Alexis Ffrench seinen Zuhörern versichert. Mitten hinein in dieses durchaus glaubwürdige Bekenntnis, klirrt im Publikum dann eine sehr laut umfallende Glasflasche. Gut, dass Ffrench zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit seiner Variation über ein bekanntes Beethoven-Thema begonnen hatte.

Für Elise

In den Konzerthallen, in denen echte Konzertpianisten wie Maurizio Pollini oder Martha Argerich noch etwas schwerere Stücke von Beethoven als "Für Elise" spielen, hätte so ein Vorfall mit der Flasche schlimme Folgen. Hier im Kesselhaus ist das häßliche Geräusch nur der Preis für den etwas verkrampften Versuch, eine unverkrampfte Atmosphäre herzustellen.

Nicht ganz neu

Dabei kann sich das neue Format, das an diesem Abend ausprobiert wird, durchaus hören lassen. Wobei der "New Sound of Classical" nicht wirklich neu ist - der koreanische Pop-Pianist Yiruma hat vor rund 10 Jahren mit "River Flows in You" als Filmmusik für "Twilight" sehr erfolgreich Klassik und Pop gemischt. Richard Clayderman und seine berühmte "Ballade pour Adeline" sind sogar noch etwas älter.

"Pianöre"

Pianisten dieser Art hat der durchaus sachkundige Jazzkritiker Michael Naura einmal als "Pianöre" bezeichnet - eine Wortschöpfung aus "Pianist" und "Frisör". In diesem Sinne übersteht Beethovens "Elise" - von Alexis Ffrench in ein neoklassisches Gewand gesteckt - den Abend am Ende dann hübsch frisiert und auch sonst ohne größere Schäden.