Verdienstkreuz für Ex-EZB-Chef
Draghi verdient den Orden
by Jan GängerMario Draghi hat sich bei Sparern hierzulande nicht besonders beliebt gemacht. Das ändert allerdings nichts daran, dass der langjährige EZB-Präsident völlig zu Recht mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wird.
Mario-Draghi-Bashing hat in Deutschland Hochkonjunktur. Dass der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank das Bundesverdienstkreuz bekommt, dürfte hierzulande mancher als Provokation empfinden. Dennoch hat der Italiener die Auszeichnung verdient.
Draghi hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Eurozone auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise nicht zusammengebrochen ist. Mit seinem "Whatever it takes" kündigte er im Juli 2012 an, die Zentralbank werde alles tun, um den Euro zu verteidigen. Das sorgte dafür, dass die Krise nicht völlig außer Kontrolle geriet. Wäre der Währungsraum damals implodiert, hätte der deutsche Sparer jetzt ganz andere Probleme als ein niedriges Zinsniveau.
Doch statt Draghis Leistung anzuerkennen, wird gerne über Niedrigzinsen geschimpft. Zugegeben, in einem Land der Sparkonten und Kapitallebensversicherungen ist das durchaus nachvollziehbar.
Die EZB darf ihre Geldpolitik allerdings nicht danach ausrichten, deutsche Sparer und deutsche Banken glücklich zu machen. Sie muss die gesamte Eurozone im Blick haben, in der die Konjunktur schwächelt und die Inflation zu niedrig ist. Es ist richtig, dass die EZB deshalb versucht, Investitionen attraktiver und Sparen unattraktiver zu machen.
Selbstverständlich stellt sich die Frage, wie groß die Risiken und Nebenwirkungen der jahrelangen ultra-lockeren Geldpolitik mittlerweile sind. Und es stellt sich die Frage, ob ihre Wirkung mittlerweile an Grenzen stößt.
Die EZB ist jedoch zu dieser Geldpolitik gezwungen. Sie kauft der Politik Zeit, die sie nicht nutzt. Die Regierungen haben in vielen Euro-Ländern versagt, nicht Draghi. Für Deutschland heißt das: Der Staat muss mehr investieren und damit für mehr Wachstum und mehr Nachfrage sorgen. Dann steigen die Zinsen auch wieder. Das heißt nicht, fröhlich Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Das heißt, sinnvoll zu investieren - beispielsweise in Straßen, Schienen, digitale Infrastruktur und Bildung.
Doch selbst wenn das passiert, sind die Zeiten hoher Zinsen wohl vorbei. Zinsen und Renditen sinken weltweit seit Jahrzehnten.
Für diesen Trend gibt es zwei wesentliche Entwicklungen in Industrie- und Schwellenländern: Da ist zum einen der demografische Wandel. Die Generation der Babyboomer nähert sich der Rente und legt am Ende des Berufslebens einen Großteil ihrer tendenziell höheren Einkommen fürs Alter zurück. Und dann wandelt sich das Wirtschaftsmodell - von kapitalintensiven Industriegesellschaften in Richtung weniger kapitalintensiver Wissensgesellschaften. Deshalb investieren Unternehmen insgesamt weniger. Während etwa Automobilhersteller viel Geld in Fabriken, Arbeiter und Maschinen stecken müssen, kommt Facebook mit einer Zentrale, vergleichsweise wenig Angestellten und ein paar Serverfarmen prima über die Runden.
Die Zinsen sind weltweit niedrig, weil so viel gespart wird. Dafür kann Draghi nun wirklich nichts.