Coronavirus: Krankheit breitet sich rasant aus - Berlin warnt vor Reisen nach China - WHO ruft Notstand aus

Die Zahl der Infektionen und Toten durch das neue Coronavirus steigt immer schneller. Die Weltgesundheitsorganisation erklärt den Notstand, um ihre Massnahmen zu koordinieren. Wie ernst ist die Lage?

Wegen der rasanten Ausbreitung der Lungenkrankheit rät das Auswärtige Amt von Reisen nach China ab. Die Infektionen und Todesfälle erlebten bis Freitag den grössten Anstieg innerhalb eines Tages. Die Zahl der Patienten mit dem neuartigen Coronavirus kletterte um 1.981 auf 9.692, wie die Gesundheitskommission in Peking berichtete.

Die Zahl der Toten stieg um 42 auf 213. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte am Donnerstagabend die Ausbreitung des Virus zu einer "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite". Die 190 Mitgliedsländer werden damit von der WHO empfohlene Krisenmassnahmen untereinander koordinieren.

Reisewarnungen für China - die Welt kappt die Verbindungen

Bundesbürger sollten von Reisen nach China absehen. "Verschieben Sie nach Möglichkeit nicht notwendige Reisen nach China", heisst es in neuen Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes. Vor einem Besuch in der schwer betroffenen Provinz Hubei wird ausdrücklich gewarnt.

Noch deutlicher rief die US-Regierung ihre Staatsbürger dazu auf, nicht mehr nach China zu reisen. Auch sollten Amerikaner in China die Ausreise erwägen. Der US-Reisehinweis für China wurde auf die höchste von vier Warnstufen hochgesetzt: "Nicht reisen." Viele Airlines wie auch die Lufthansa haben ihre Flüge nach China bereits ausgesetzt. Aus diesem Grund kündigte Peking eine Rückholaktion für im Ausland gestrandete Landsleute an, die aus Wuhan stammen.

Ausserhalb der Volksrepublik sind schon mehr als 120 Infektionen in rund 20 Ländern festgestellt worden. In Deutschland bestätigte das bayerische Gesundheitsministerium am Donnerstagabend einen fünften Fall. Der Patient ist ein Mitarbeiter der Firma Webasto aus dem Landkreis Starnberg, bei der auch die vier zuvor bekannten Infizierten beschäftigt sind. Die Ansteckung ging von einer Kollegin aus China aus, wo jetzt jede Provinz und Region betroffen ist.

Coronavirus zählt schon jetzt mehr Infektionen als Sars

Mit fast 10.000 Fällen weltweit zählt der Ausbruch der "akuten Atemwegserkrankung", wie sie offiziell genannt wird, schon deutlich mehr Infektionen als vor 17 Jahren die ebenfalls von China ausgegangene Sars-Pandemie mit - laut WHO - 8.096 Infektionen. Durch das "Schwere Akute Atemwegssyndrom" (Sars) 2002/2003 starben 774 Menschen. Der neue "2019-nCoV"-Erreger ist eine Variante des damaligen Sars-Virus. Vermutlich stammt er auch von Wildtieren.

Noch sei die Zahl der Infektionen ausserhalb Chinas relativ gering, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus nach der Sitzung eines Expertenausschusses in Genf, auf der die Notlage ausgerufen wurde. Aber man wisse nicht, welchen Schaden das Virus in einem Land mit einem schwachen Gesundheitssystem anrichten würde. "Wir sitzen alle im selben Boot", sagte Tedros. Das Virus könne nur gemeinsam aufgehalten werden. "Das ist die Zeit für Fakten, nicht Angst."

China zuversichtlich: Werden Kampf gegen Epidemie gewinnen

In einer Reaktion zeigte sich Chinas Aussenministerium zuversichtlich, die Ausbreitung der Lungenkrankheit in den Griff kriegen zu können. "Wir sind absolut zuversichtlich und in der Lage, den Kampf gegen diese Epidemie zu gewinnen", sagte Aussenamtssprecherin Hua Chunying in Peking. China werde auf "transparente und verantwortungsvolle Weise" die betroffenen Parteien stets umgehend informieren.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte, das Ausrufen einer Notlage durch die WHO werde dazu führen, dass sich alle Länder noch besser abstimmten. Dies sei auch ein Signal an Länder in der Nachbarschaft Chinas oder in Afrika, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, sagte der CDU-Politiker in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Mit Blick auf Deutschland sagte Spahn, die Behörden gingen sehr wachsam, aber angemessen mit der momentanen Situation um. Wichtig sei, schnell Infektionsketten zu unterbrechen. "Ein Gesundheitswesen wie unseres kann das", sagte Spahn auch zu der fünften Infektion in Bayern.

Er stritt mit dem Fernsehmediziner Johannes Wimmer, der die Lage bedrohlicher einstufte. Ein Viertel aller, die wegen des Coronavirus im Krankenhaus seien, müssten letztlich auf die Intensivstation, sagte Wimmer. "Momentan haben wir einfach wirklich das Glück auf unserer Seite - das kann ganz schnell kippen." Spahn versuchte zu beruhigen: "Ich verstehe die ganze Hektik und Herangehensweise nicht, die Herr Doktor Wimmer hier macht." Deutschland sei vorbereitet und könne auch mit einer grösseren Zahl an Patienten umgehen.

Deutsche sollen zurückgeholt werden - auch andere Länder wollen Bürger ausfliegen

Für einen geplanten Rückholflug mehr als 100 Personen aus der Metropole Wuhan bemüht sich das Auswärtige Amt. Es gebe darunter niemanden, der infiziert sei, und auch keine Verdachtsfälle, sagte Aussenminister Heiko Maas.

Die Luftwaffe will noch am Freitag ein Flugzeug nach China schicken. Nachdem die Zustimmung der beteiligten Staaten vorlag, soll der Flug nach dpa-Informationen am Vormittag von Köln-Wahn aus starten.

Auch die USA, Japan und andere Länder haben Staatsbürger aus Wuhan geholt oder planen Rückholaktionen. Konsularbeamte informierten Deutsche in Wuhan, dass das Flugzeug voraussichtlich am Samstag nach Frankfurt fliegen soll. Die Rückkehrer sollen 14 Tage lang auf dem Luftwaffenstützpunkt Germersheim in Rheinland-Pfalz in Quarantäne, wie zuerst die Zeitungen des Medienhauses VRM berichteten.

Die Elf-Millionen-Stadt Wuhan und die umliegende Provinz Hubei sind besonders schwer von der Epidemie betroffen. Rund 45 Millionen Menschen sind dort praktisch von der Aussenwelt abgeschottet, indem Verkehrsverbindungen gekappt wurden. Südkorea holte am Freitag eine erste Gruppe von Landsleuten aus Wuhan heim. In Seoul landete ein Charter-Flugzeug mit mehr als 350 Südkoreanern, die unter Quarantäne gestellt werden. Weitere 350 Südkoreaner warten noch darauf, auch ausgeflogen zu werden. Auch Japan flog weitere 149 Staatsbürger aus.

Die Zahl der nachweislich Erkrankten steigt in China jetzt jeden Tag um mehr als Tausend. Vor gut zwei Wochen waren erst 40 Fälle gezählt worden. Reisende aus China haben das Virus ins Ausland getragen, wo es jetzt wie in Deutschland auch zu Ansteckungen kommt. Betroffen sind auch Thailand, Japan, Singapur, Australien, Hongkong, Malaysia, die USA, Finnland, aber auch Indien und die Philippinen. Das Virus ist tückisch, weil Infizierte schon ansteckend sind, selbst wenn sie keine Symptome zeigen und nicht wissen, dass sie erkrankt sind. (mgb/dpa)

Italien: Coronavirus setzt Reisende fest

An der italienischen Küste müssen Tausende Passagiere eines Kreuzfahrtschiffs auf das Testergebnis zweier Mitreisender warten. In China wiederum harren deutsche Staatsangehörige ihrer Ausreise.
Teaserbild: © picture alliance/ Steve Parsons/PA Wire/dpa