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Hubert Reichardt und Annett Schemat mit einem der Karpfen, die verkauft werden.Foto: Holger Zimmer
Karpfen blau

Fisch gehört in Weißenfels zur Familientradition

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   •  In einer kleinen Firma am Stadtrand sind Karpfen begehrt.
   •  Warum Chef Hubert Reichardt länger auf den Schmaus wartet.

Weissenfels - Schon jetzt herrscht ein Kommen und Gehen in der Fischerei am alten Saalearm in Weißenfels. Im Firmengebäude sortiert Annett Schemat die Matjesheringe in Plasteboxen und Steffen Reichardt belegt sie mit Röstzwiebeln. Dann werden sie mit Öl übergossen und kommen in den Verkauf. Matjes wird ebenso wie Bismarck- und Brathering von der Firma Ostseefisch geliefert. Laut Hubert Reichardt, Geschäftsführer wie sein Bruder Steffen, ist es das ganze Jahr über ein Standbein und nicht nur in der Weihnachtszeit.

Wels, Forellen und Heilbutt: Fisch gehört in Weißenfels zum Fest

Der 57-Jährige mag den Dezember, weil er mit einem Kundenansturm verbunden ist. Dann geht Räucherfisch über die Theke und gefragt sind Wels, Forellen und Heilbutt. Auch letzterer kommt von der Ostsee. Im Herbst werden die Karpfen aus den Teichen in die Hälteranlage umgesetzt. Alles ist mit Saalewasser gefüllt, das seit der Wende kaum noch durch Industrieabwasser belastet wird.

Dann folgt der Umzug in eine Halle und in große Plastebehälter unterm Dach, wo die Käufer sich einen der Fische aussuchen können. Auf Wunsch werden sie dann ausgenommen und zugeschnitten. Auch für Hubert Reichardt gehört Karpfen am Jahresende zum absoluten Muss. Aber er weiß, dass seine Frau für die Weihnachtstage, die man mit Tochter und Schwiegersohn feiert, Ente zubereitet. „Manche Kunden möchten aber selbst zum Fest nicht auf Fisch verzichten.“

Familientradition: Karpfen blau hat es schon bei seinen Eltern gegeben

Silvester schlägt dann seine Stunde als Liebhaber von Fischgerichten. Noch bis zum Mittag ist man für die letzten Kunden da. Am Nachmittag nimmt er die Vorbereitungen des Festessens in Angriff. Karpfen blau hat es schon bei seinen Eltern gegeben und diese Tradition wird von ihm weitergeführt. Dabei orientiert er sich an dem im Infokasten abgedruckten Rezept, variiert es aber in Nuancen, was den Sud, Wurzelwerk und Gemüse angeht.

Nach dem Stress des Jahres und vor allem im Dezember ist für Hubert Reichardt am Silvesterabend beizeiten Zapfenstreich. Denn in seiner Fischerei hat die Woche sieben Tage. Das wolle man allerdings im kommenden Jahr ändern. Dann ist die Tür für die Kunden montags verschlossen, während die fünfköpfige Belegschaft die Matjes- und Bismarck- sowie Bratheringe verarbeitet.


Karpfen blau mit zerlassener Butter und Salzkartoffeln

Zutaten:

* ein 1,5 Kilogramm schwerer Spiegelkarpfen

* Salz

* frisch gemahlener weißer Pfeffer

* 1/8 Liter Weinessig, 2 Zwiebeln

* 2 Gewürznelken

* 2 Möhren

* 1 Stück Sellerieknolle

* eine Stange Lauch

* 1/2 Liter trockener Weißwein

* 4 Wacholderbeeren

* 8 schwarze Pfefferkörner

* 2 Lorbeerblätter

* 600 Gramm Kartoffeln

* 150 Gramm Butter

Zubereitung:

Den Karpfen - falls erforderlich - schuppen, ausnehmen und dabei die Kiemen und Flossen entfernen. Dann waschen, mit Küchenpapier trocken tupfen, salzen, pfeffern und mit Essig beträufeln. Die Zwiebeln abziehen; eine Zwiebel klein schneiden, die andere mit den Gewürznelken spicken.

Die Möhren, die Sellerieknolle und den Lauch putzen, waschen, würfeln oder in schmale Ringe schneiden. Ein Liter Wasser mit dem Wein, Möhren, Sellerie, Lauch, Zwiebeln und den Gewürzen zum Kochen bringen. Den Karpfen in den Siebeinsatz eines Fischkochers legen und mit diesem Sud übergießen. Zugedeckt bei mäßiger Temperatur 15 bis 18 Minuten ziehen lassen. Währendessen die Kartoffeln schälen, waschen und vierteln, dann in Salzwasser 20 Minuten kochen und die Butter zerlassen.

Den Fisch mit dem Einsatz aus dem Topf nehmen. Das Gemüse auf einer vorgewärmten Platte anrichten und den Fisch darauf legen. Die Petersilie mit einem Wiegemesser sehr fein hacken und darüber streuen, den Karpfen mit der flüssigen Butter und den Kartoffeln servieren. Dazu kann man als Beilage einen bunten Blattsalat reichen. Als Getränk eignet sich ein fränkischer Riesling besonders gut.


Weißenfelser macht einmal im Jahr Angel-Trip nach Norwegen

Sein Job ist für Hubert Reichardt fast ein Hobby. Denn fürs Angeln und für Fische war er schon als Neunjähriger Feuer und Flamme. Das war als man über die Brücke bei Wolgast vom Festland auf die Insel Usedom gefahren ist und am Geländer die Petrijünger ihre Angeln auswarfen. Möglich war das damals in DDR-Zeiten sogar ohne den heute notwendigen Fischereischein. Doch den machte Reichardt kurz darauf und wurde Mitglied des Deutschen Anglerverbandes.

Jetzt kommt er daheim nicht mehr selbst zum Angeln, doch mit Freunden fährt er jedes Jahr nach Norwegen, um zu fischen. Diesmal war er sogar im Juni und im September in Skandinavien, konnte Dorsch, Heilbutt und Schellfisch ins Boot ziehen. 20 Kilogramm darf man mit nach Hause nehmen. Steht Fisch jedes Wochenende im Haus Reichardt auf dem Tisch? Der Firmenchef schüttelt den Kopf. Allein von Berufs wegen macht man das nicht, „aber manches vom Fang wird auch an Freunde verschenkt“.

Heiße Sommer mit Folgen

Was sich der Weißenfelser für das kommende Jahr wünscht? Vielleicht einen nicht so heißen Sommer, denn der bringt für das kleine Unternehmen und die Fischzucht Nachteile mit sich. Die ,derzeitigen Jahrhundertsommer verursachten bei Karpfen und anderen Fischen Appetitlosigkeit, so dass sie langsamer wachsen.

Es dauert also länger, bis sie mit einem Gewicht von anderthalb bis zweieinhalb Kilogramm verkauft werden können. „Doch klagen hilft da überhaupt nicht“, wie Hubert Reichardt sagt, dessen Beruf mit unter die Kategorie „Landwirt“ zählt. Wer von der Natur abhängig ist, muss damit leben können. (mz)