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Wo immer sie auftaucht, wird sie umringt: Greta Thunberg bei der Madrider Klimakonferenz.
(Foto: Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images)

Zwei Welten beim Klimagipfel

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Der Schlachtruf der Jugendlichen verhallt ungehört. In einem großen Hof des Messegeländes stehen sie und verlangen Gerechtigkeit. "What do we want?", skandieren sie. Und schreien die Antwort gleich hinterher: "Climate Justice!" Der Ruf schallt weit, aber nicht weit genug.

Vier Hallen weiter wird er übertönt vom Rauschen der Klimaanlagen, sie heizen den Gipfel auf irrwitzige 24 Grad hoch. In Halle neun, Raum fünf, sitzen 50 Verhandler im Karree, es geht um ein technisches, aber nicht unwichtiges Detail: Wie genau sollen UN-Berichte festhalten, ob Langfristziele im Klimaschutz noch in Sicht sind? China kämpft gerade dafür, die Sprache abzuschwächen, Brasilien und andere springen bei. Es geht hin und her.

Die Spannung baut sich auf wie bei keinem Klimagipfel zuvor. Hier die Schwedin Greta Thunberg, die Proteste der Schüler, Schlachtrufe auf dem Messegelände. Dort Diplomaten, die sich stoisch durch Verhandlungstexte kämpfen; einige von ihnen nicht mit der Absicht, den Klimaschutz voranzutreiben, jedenfalls nicht unbedingt im eigenen Land. Wie zwei Planeten, jeder in einem eigenen Sonnensystem. Im einen System gibt es Verhandlungen, die "informal informals" heißen, informelle informelle Sitzungen. Und im anderen gibt es Greta Thunberg.

Vor einem Jahr war der Raum mit Greta halb leer

An diesem Montag ist die junge Schwedin da, wo nichts mehr zu sehen ist. Wo immer sie auftaucht, hat sie eine Traube um sich, aus Kameraleuten und Menschen mit hochgestreckten Handys. Thunberg soll bei einer Pressekonferenz der "Fridays for Future" auftreten, die Deutsche Luisa Neubauer moderiert. Vor dem Raum hat sich schon eine halbe Stunde vorher eine lange Schlange gebildet, solchen Andrang erlebt hier nicht einmal der UN-Generalsekretär.

Wie anders war das vor einem Jahr. Am ersten Tag der Klimakonferenz von Kattowitz betrat da eine 15-jährige Unbekannte die Bühne, der Raum war halb leer. Damals erzählte sie schüchtern, wie alles begann, von Lehrern, die zum Stromsparen aufgefordert hätten, wegen eines menschgemachten Problems namens Klimawandel. Wie sie sich schlau machte darüber. "Und bevor ich es wusste, war ich Klimaaktivistin." Was Thunberg und ihr Schulstreik bewegen würden, ahnte damals kaum einer, außer vielleicht dem Moderator. "Ich nenne sie eine Jeanne d'Arc", sagte er.

Nun aber steht eine ganze Klimakonferenz auch im Zeichen dieser Bewegung. Morgens bauen sich vor dem Eingang Schüler mit Pappschildern auf, doch die Verhandler hasten vorbei. In diesem komplizierten Prozess, der 197 Vertragspartner auf eine gemeinsame Politik einschwören soll, in dem gemeinsame Regelwerke sicherstellen sollen, dass am Ende auch wirklich Klimaschutz dabei herauskommt, dreht jeder Verhandler an je einem kleinen Schräubchen des großen Getriebes. Ohne diese große Getriebe würde vermutlich gar nichts vorangehen. Aber das große Ganze rückt dabei oft in den Hintergrund.

Umwelt-Staatssekretär: Es drohen Frustschleifen

Genau umgekehrt ist das bei den Schülern. Auf der Bühne sitzt nicht mehr nur Thunberg, sondern auch Jugendliche von den Philippinen, aus Uganda, Russland, den USA, von den Marshallinseln. Der Raum ist rappelvoll, 30 Kameras haben sich aufgebaut. Die Botschaft aus diesem Raum geht in alle Welt, sie ist an diesem Montag mächtiger als alles, was verhandelt wird. "Ich habe keine Angst vor dem Gefängnis", sagt der junge Russe Arshak Makichyan. "Ich habe nur Angst, nicht genug zu tun." Nakabuye Hilda Flavia, die aus Uganda nach Madrid gekommen ist, sagt: "Ihr habt Träume, aber wir haben auch Träume." Die Klimakrise sei eine andere Form von Rassismus: Umweltrassismus. Wenig später wird sie mit anderen Jugendlichen zwischen den Messehallen stehen und nach "climate justice" rufen.

Die Erwartungen sind groß. Vielleicht zu groß? Alles geht langsam, zäh. Umweltgruppen und auch die Jugendlichen fordern rasch neue, höhere Klimaziele. Im Kalender der Staaten stehen die aber erst im nächsten Jahr an. "Wenn das Frust auslöst, dass wir jetzt noch keine höheren Ziele setzen", sagt der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth, "müssen sie ihre Erwartungshaltung überdenken." Sonst drohten "Frustschleifen, aus denen man nicht mehr rauskommt".

Wissenschaft oder schwarze Magie?

Im Raum der Verhandler allerdings ist diese Frustschleife auch nicht mehr fern. Es geht mehr rückwärts als vorwärts. Lange haben die Diplomaten nun darum gerungen, ob sie das Erreichte "überprüfen" oder nur "betrachten" wollen, am Ende landen beide Optionen im Text. Dieser brauche noch "weitere Überlegungen", wenn von diesem Dienstag an die Ministerinnen und Minister die Verhandlungen in Madrid übernehmen.

Am Ende meldet sich aber noch die Vertreterin der Salomonen zu Wort. Sie frage sich wirklich, wo sie hier gelandet sei, sagt sie. "Das scheint eher ein Prozess der schwarzen Magie geworden zu sein als einer der Wissenschaft."

Zumindest sie spricht den Schülern aus dem Herzen.