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Wurde als Flüchtlingshelferin bekannt: Carola Rackete.© imago images/photothek
People’s Summit

Carola Rackete: Die Stimmen des Südens bleiben beim Klimagipfel in Madrid ungehört

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Während in Madrid der Klimagipfel in die entscheidende Woche geht, findet in Chile der People’s Summit statt. Umweltaktivistin und Kapitänin Carola Rackete ist vor Ort.

Ende November bin ich nach über sechs Monaten in Europa wieder nach Chile gefahren. Seit über zehn Jahren reise ich immer wieder dorthin, es ist ein bisschen wie Nach-Hause-Kommen für mich.

Ich habe lange als nautische Offizierin auf den Forschungsschiffen Polarstern und Meteor gearbeitet, und die meisten Forschungsexpeditionen in die Antarktis starten im chilenischen Patagonien.

Weil ich Chile so gut kenne, ist mir klar, dass die aktuellen Proteste nicht neu sind. Schon seit Jahren haben Menschen gegen steigende Benzinpreise protestiert und Universitäten wegen der hohen Studiengebühren besetzt. Trotzdem ist es jetzt anders: Die Proteste eskalierten.

Carola Rackete: Das Thema Klima hat in Chile derzeit keine Priorität

Und das erklärt auch, warum das Thema Klima gerade keine Priorität im Land hat. Zum internationalen Klimastreik vor etwas mehr als einer Woche, zu dem in Deutschland mehr als 600 000 Menschen auf die Straße gingen, kamen in Santiago nur einige Hundert Demonstranten für einen „Karneval für das Wasser“ zusammen. Chile ist das einzige Land der Welt, wo Wasser komplett privatisiert ist. Beim letzten globalen Klimastreik im September waren es noch 30.000 Teilnehmer, der größte Klimastreik in der Geschichte von Chile.

Es sei nicht so, dass sich niemand mehr für das Thema interessiere, sagt der 20-jährige Felipe Hernandez, einer der Sprecher von Fridays for Future in Santiago. Aber viele Eltern hätten mittlerweile Angst, ihre Kinder auf die Straße gehen zu lassen.

Im vergangenen Monat starben bei Protesten fast 30 Menschen, über 200 verloren durch Polizeigewalt das Augenlicht, da die Polizei Demonstranten mit Gummikugeln offenbar absichtlich ins Gesicht schießt, wie es in Berichten von Amnesty und Human Rights Watch heißt. Felipe und seine Freunde blieben am Freitag von Gewalt verschont.

Aufgrund der Eskalation der Proteste war der neoliberale Präsident Sebastián Piñera gezwungen, die geplante UN-Klimakonferenz in Santiago de Chile abzusagen. Stattdessen tagt sie nun in Madrid und findet damit dreimal in Folge in Europa statt.

Carola Rackete will wissen, was die lateinamerikanische Zivilgesellschaft über die Klimakrise zu sagen hat

Gespräche

Parallel zum UN-Klimagipfel in Madrid findet ein „People’s-Summit“ der Zivilgesellschaft in Santiago de Chile statt, wo auch die Konferenz ursprünglich geplant war. Carola Rackete, Klimaaktivistin und Ex-Kapitänin des „Sea-Watch“-Rettungsschiffs, spricht dort für die Frankfurter Rundschau und „klimareporter.de“ mit den Akteuren. FR

Vertreter der südamerikanischen Zivilgesellschaft, die sich monatelang auf den Gipfel vorbereitet hatten, befürchten nun, dass sie nicht die internationale Aufmerksamkeit bekommen, die sie sich erhofft hatten.

Für die meisten von ihnen ist es schon aus finanziellen Gründen unmöglich, nach Europa zu reisen. Das gilt für viele aus dem globalen Süden: Kurzfristige Umbuchungen und die Beschaffung der Schengen-Visa sind ein unüberwindbares Hindernis.

Ihre Stimmen werden daher in Madrid ungehört bleiben. Auch deswegen habe ich mich entschlossen, nach Chile zu fahren, wo NGOs ihren Parallelgipfel zur UN-Klimakonferenz abhalten, den „People’s Summit“. Ich will wissen, was die lateinamerikanische Zivilgesellschaft uns im globalen Norden über die Klimakrise und vor allem die Klimagerechtigkeit zu sagen hat.