Klimawandel bringt Kornkammern in Gefahr
Immer mehr Hitzewellen überkommen viele Regionen zeitgleich.
Der Klimawandel führt weltweit zu mehr Hitzewellen und damit auch zu mehr Dürren. Das Risiko für gleichzeitige Missernten in mehreren Regionen der Welt ist dabei viel größer als noch vor 50 Jahren, schreiben Forscher des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien im Fachblatt "Nature Climate Change". Dafür verantwortlich macht ein deutsches Wissenschafterteam auch ein bestimmtes Wellenmuster im Jetstream. Dieser die Erde umströmende Höhenwind erhöhe das Risiko für gleichzeitige Hitzewellen in wichtigen Anbaugebieten der Erde. Die Nahrungsmittelsicherheit sei damit gefährdet.
Die Forscher um Franziska Gaupp vom IIASA untersuchten, wie groß das Risiko ist, dass in mehreren der wichtigsten Anbaugebiete in den USA, Argentinien, Europa, Russland und Ukraine, China, Indien, Indonesien und Brasilien durch Klima-Extremereignisse Ernten massiv schrumpfen. Diese Regionen deckten 2010 rund 56 Prozent des weltweiten Weizen- und Maisbedarfs, lieferten 73 Prozent Soja und 38 Prozent Reis.
Schwankt das Klima, schwanken auch die globalen Nahrungsmittelerträge. In der Vergangenheit konnten Missernten in einzelnen Regionen durch Vorräte und den Handel mit anderen Erntegebieten ausgeglichen werden. Die Forscher bezweifeln aber, dass dies bei fortschreitendem Klimawandel weiter der Fall sein wird.
In den letzten 50 Jahren stieg nämlich das Risiko für gleichzeitige Missernten in mehreren Regionen für Weizen, Soja und Mais an. Die Gefahr für Ernteausfälle im selben Jahr in fünf Regionen gleichzeitig war etwa bei Weizen von 1967 bis 1990 mit 14 Prozent zu beziffern, 1991 bis 2012 mit 24 Prozent. Das Risiko für Missernten in sechs Regionen stieg auf mehr als das Doppelte (von vier auf neun Prozent). Dass sogar in sieben Regionen die Weizenerträge im selben Jahr miserabel sind, wurde vier Mal so wahrscheinlich (von 0,3 auf 1,2 Prozent). Bei Soja und Mais sind die Risikoanstiege weniger dramatisch, aber signifikant, so die IIASA-Forscher. Nur bei Reis schrumpfte das Risiko, weil veränderte Sonneneinstrahlung sein Wachstum begünstigten.
Steigender Kalorienbedarf
Auch das Forscherteam des Potsdam-Instituts für Klimaforschung sieht die Kornkammern der Welt in Gefahr. "Bestimmte Muster im Jetstream, das ist ein die Erde umströmender Höhenwind, können gleichzeitige Hitzewellen in die Weltregionen bringen, die für bis zu einem Viertel der globalen Nahrungsmittelproduktion verantwortlich sind", erklären sie in der Publikation. Besonders anfällig wären der Westen Nordamerikas und Russlands, Westeuropa und die Ukraine.
Die Forscher berechneten, dass bestimmte Muster im Jetstream ein zwanzigfach erhöhtes Risiko für gleichzeitige Hitzewellen in wichtigen Anbaugebieten bringen. "Die Hitzewellen werden künftig durch die globale Erwärmung häufiger verschiedene Gegenden gleichzeitig treffen und sie werden auch heftiger werden." Davon wäre die weltweite Nahrungsmittelsicherheit betroffen.
Zu alledem nimmt auch der Kalorienbedarf zu. Neben einer wachsenden Weltbevölkerung könnte auch das steigende Gewicht der Menschen den globalen Bedarf an Lebensmitteln zusätzlich erhöhen, schreiben Forscher um Stephan Klasen von der Uni Göttingen in "Plos one". Ihren Berechnungen zufolge könnte der weltweite Kalorienbedarf bis zum Jahr 2100 um bis zu 80 Prozent steigen. Zudem warnen sie, dass eine ausgewogene Ernährung künftig nur noch für Wohlhabende möglich sein könnte. Arme hingegen könnten gezwungen sein, auf billige, nährstoffarme Lebensmittel zurückzugreifen.
Die Folgen all dieser Entwicklungen seien weitreichend. Die IIASA-Forscher warnen neben einer Verteuerung der Grundnahrungsmittel auch vor Hungersnöten, politischen Unruhen sowie Migration.(apa/gral)