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Der Sohn sitzt im Rollstuhl, deswegen dauert es mit dem Studium etwas länger. Zu lange, um noch Bafög zu erhalten. © Foto: Mascha Brichta/dpa

Spendenaktion zu Weihnachten: „Wie soll das nur alles enden?“

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Es war eine kurze, aber traurige Unterredung: Maria K. (Name von der Redaktion geändert) nahm ihre jüngste Tochter beiseite und sagte: „Legst Du die Gitarre hier, Geld ist zu Ende.“ Es ist ihre Art, Deutsch zu sprechen. Gut verständlich, aber in Syntax und Grammatik holperig. Sie stammt aus einem Land im Süden. Inzwischen lebt sie von ihrem Mann getrennt, der mit dem Alkohol all zu sehr auf Du und Du stand. Haben Kinder aus, wie man heute gerne sagt, bildungsfernen Familien eine Chance? Theoretisch ja. Das hat ihre Tochter mit ihrer Gitarre bewiesen. Manchmal braucht es aber etwas Unterstützung. Den Unterricht an der Musikschule hätte sich die Familie nicht leisten können, aber der Diakonieverband Reutlingen hatte vor wenigen Jahren die Aktion Sterntaler ins Leben gerufen. Bedürftige Kinder konnten ein Jahr kostenlos zur Musikschule gehen. Nach zwölf Monaten gab es für das Mädchen sogar noch ein weiteres Jahr obendrauf, weil sie begabt war. Mehr allerdings war nicht möglich, oder wie es die Mutter formulierte: „Legst Du die Gitarre hier.“ Also: Stell sie beiseite, für dich geht es nicht weiter.

Die Mutter freilich macht weiter und stellt sich manchmal die Frage, warum. „Warum lebe ich mit diesem Stress?“ Sie macht es für ihre Kinder: „Die sollen etwas lernen“, sagt sie. Zu gerne wäre sie selbst länger zur Schule gegangen, aber in ihrem Heimatland war jeder Verdienst willkommen. Also musste sie mit 13 schon in einer Schneiderei arbeiten. Ihr Chef legte ihr ein Kissen unter den Hintern, damit sie auf den Tisch sehen konnte. Es waren traurige Momente, wenn sie zum Fenster raus blickte und ihre früheren Schulkameradinnen auf dem Weg zur Schule sah.

Kein Bafög

Ihre Kinder haben es besser: „Die sind alle auf tollen Schulen“, bis auf den ältesten Sohn. Er ist schwerbehindert. Eine Krankheit zwingt ihn in den Rollstuhl, deswegen kommt sein Studium nur schleppend voran. Bafög erhält er nicht mehr, weil die Regelstudienzeit überschritten ist. Als wäre es so einfach, als Gesunder sein Leben zu organisieren. Aber vom Rollstuhl aus? Frau K. möchte gegen diesen Bescheid klagen. Denn wer, wenn nicht ihr Sohn, sollte Bafög erhalten? Sie ist Frührentnerin, bekommt etwas Kindergeld und Hartz-4-Leistungen. Gibt es triftigere Gründe, ein Kind zu unterstützen?

Die Diakonische Bezirksstelle unterstützt sie regelmäßig. Denn da ist noch etwas, eine Dummheit. Frau K. hat sich ein Auto gekauft, um den Sohn samt Rollstuhl fahren zu können. Das hat 3000 Euro gekostet: „Ich habe den Kredit ganz leicht bekommen“, sagt sie. Von einer Bank, die in TV-Werbespots so viel verspricht. Bis Frau K. den Kredit allerdings getilgt haben wird, hat sie für ihn annähernd 10 000 Euro bezahlt. Wer erst mal am Boden ist, sagt sie, kommt nur schwer wieder hoch. Sie will wieder hoch kommen, damit es ihre Kinder einmal besser haben.

Frau K., wovon leben Sie gerade?

K. Ich bekomme Frührente und für die Jüngsten Kindergeld.

Gibt es etwas, was Sie sich derzeit besonders wünschen?

Ich würde einem Kind gerne Nachhilfe ermöglichen. Nichts ist wichtiger als eine gute Ausbildung.

Aber dafür reicht das Geld nicht?

Nein, ich habe beim Jobcenter dafür einen Antrag gestellt, warte aber seit fast einem halben Jahr auf den Bescheid.

Hat Ihr Kind Probleme in der Schule?

Keine gravierenden, aber ich kann ihm selbst ja kaum helfen. Meine Kinder wollen lernen und eine gute Ausbildung bekommen. Danach können sie auf eigenen Beinen stehen. Deswegen hoffe ich auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, aber die Hürden sind hoch.

Haben Sie gute Erinnerungen an Ihre eigene Schulausbildung?

Ich bin gerne zur Schule gegangen, aber meine Eltern nahmen mich runter, als ich 13 war. Meine Geschwister hatten bessere Noten, also durften die länger auf der Schule bleiben. Ich sollte stattdessen Geld verdienen. Jetzt bin ich Frührentnerin, jetzt fehlt das Geld meinen Kindern. Die sagen dann, „wenn Mama kein Geld hat, gehe ich arbeiten.“ Das möchte ich aber nicht, sie sollen sich auf die Schule konzentrieren.

Was wollen die Kinder von dem Geld kaufen?

Zum Beispiel Schuhe. Eigene Schuhe, nicht immer gebrauchte aus dem Kinderkörble beim Tafelladen.

Ihr Sohn studiert. Aber Bafög bekommt er nicht.

Nein, das wurde ihm gestrichen, weil er die Regelstudienzeit überschritten hat. Er kann niemals so schnell sein wie seine Kommilitonen. Manchmal kann er zwei Wochen lang nicht aus dem Haus, weil er Schmerzen hat. Manchmal habe ich die Nase voll von allem, vor allem, wenn ich auf dem Amt jedes Mal seine Geschichte erzählen muss. Immer wieder, dabei müsste die doch längst bekannt sein. Sogar beim Liegen hat er Schmerzen, er bräuchte eine andere Matratze. Aber die bekommt man nicht für 100 Euro, die Krankenkasse aber übernimmt die Kosten nicht.

Kommen sie derzeit finanziell über die Runden?

Nein, ich habe Schulden. Einem Kind habe ich ein Fahrrad gekauft. Der Vermieter wartet auf seine Miete, und dann habe ich noch einen Kredit abzubezahlen. Das war ein großer Fehler. Ich habe für 3000 Euro ein Auto gekauft, um meinen Sohn samt Rollstuhl fahren zu können, muss aber insgesamt fast 10 000 Euro zurückzahlen.

Da hat man Sie ordentlich übers Ohr gehauen, haben Sie den Kredit von einer heimischen Bank?

Nein, auf die Bank wurde ich durch Fernsehwerbung aufmerksam. Das bereue ich jetzt, ich werde nie wieder einen Kredit aufnehmen.

Wer hilft Ihnen in dieser Situation?

Die Diakonische Bezirksstelle. Ich komme immer, wenn ich nicht mehr weiß, wie es weitergeht. Ich habe ja keine Verwandten, denen ich sagen könnte, ich brauch mal 300 Euro. Mir würde ja ein Glas Wasser und ein Stück Brot reichen, aber die Kinder brauchen doch mehr. Auch mal coole Schuhe, Zeit zum Lernen, Gitarrenunterricht. Aber sie sollten nicht wissen, dass ich selbst Hilfe erhalte. Wenn sie etwas geschenkt bekommen, sollen sie glauben, es ist von mir. Die wollen, dass es von der Mama kommt.

Weihnachtsaktion „Die gute Tat“

Liebe Leser, dank Ihrer Spenden konnten das Metzinger-Uracher-Volksblatt/Der Ermstalbote, die Reutlinger Nachrichten und der Alb Bote in den vergangenen Jahren viele soziale Projekte oder Einrichtungen in unserer Region unterstützen. Das WIM-Haus etwa, die Diakonische Bezirksstelle, das Ferientagheim in Metzingen, die Tafelläden in Metzingen, Bad Urach und Münsingen, die Matizzo-Stiftung sowie die Afrika-Hilfe des Kirchenbezirks Bad Urach/Münsingen sowie das DRK konnten schon mit Ihren Spenden bedacht werden. Im Vorjahr war es die Kindergruppe der Oberlin-Jugendhilfe für Kinder psychisch kranker Eltern an der Reihe.

Dieses Mal gehen die Spenden an den Nothilfefonds der Diakonischen Bezirksstellen in Metzingen, Bad Urach und Münsingen.

Spenden für die Weihnachtsaktion „Die gute Tat“ richten Sie bitte an Georg Hauser GmbH & Co KG unter dem Stichwort „Weihnachtsaktion“ an die VolksbankErmstal-Alb, IBAN: DE 03 6409 1200 0233 4340 03, oder an die Kreissparkasse Reutlingen, IBAN: DE 33 6405 0000 0000 900 5 40.

Eine Spendenbescheinigung wird nach Ende der Aktion ausgestellt. Dazu muss bei der Spende oder Überweisung unbedingt die vollständige Adresse des Spenders angegeben werden. Bei einer Spende bis 200 Euro reicht fürs Finanzamt allerdings der Kontoauszug.