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Die „ClearSpace-1“-Mission der Esa soll eine Raketenstufe, die inaktiv um die Erde kreist, einsammeln und entsorgen. So will man testen, wie man in Zukunft Weltraumschrott entsorgen kann.© Esa
Raumfahrt

Müllabfuhr im All - Esa will Weltraumschrott einsammeln

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Die Europäische Raumfahrtorganisation Esa sorgt sich wegen Weltraumschrott und will aktiv werden: die Mission „ClearSpace-1“ soll „Müllabfuhr“ im All spielen.

Es wird eng um die Erde herum. Fast 2000 aktive und mehr als 3000 inaktive Satelliten tummeln sich in den Umlaufbahnen um den blauen Planeten - Tendenz steigend. Viele dieser Satelliten verbessern die Lebensqualität auf der Erde täglich spürbar: GPS-Satelliten beispielsweise, die die Navigation auf der Erde revolutioniert haben, oder Telekommunikationssatelliten, ohne die die Kommunikation, aber auch das Fernsehprogramm heutzutage anders aussähen.

Doch so nützlich die Dienste, die Satelliten liefern, auch sind: Irgendwann ist ein Satellit defekt und kann von der Erde aus nicht mehr repariert werden. Bisher werden solche Satelliten dann meist einfach ausgemustert und ihrem Schicksal überlassen, teilweise auch auf so genannten Friedhofsorbits „geparkt“. Das bedeutet: Die Satelliten ziehen in weniger frequentierten Umlaufbahnen weiter ihre Bahnen um die Erde, sinken dabei langsam immer weiter ab und sind nicht mehr steuerbar.

Fatale Kettenreaktion: Weltraumschrott stößt zusammen und erzeugt mehr Trümmer

Letzteres ist ein Problem: Stößt ein inaktiver Satellit mit anderen Satelliten oder Bruchstücken zusammen, kann ein aktiver Satellit beschädigt oder zerstört werden. Auch eine fatale Kettenreaktion ist möglich: Der so genannte „Kessler-Effekt“ beschreibt, wie ein Zusammenstoß im All Trümmerteile erzeugt, die dann wiederum neue Kollisionen auslösen können, die ganze Kaskaden von Kollisionen nach sich ziehen. Bereits ein kleines Trümmerteil kann auch der Internationalen Raumstation ISS gefährlich werden.

Um ein solches Szenario zu verhindern, bemüht sich die europäische Raumfahrtorganisation Esa bereits seit einiger Zeit um das Thema Weltraumschrott und seine Verhinderung oder Entsorgung. Nun hat die Esa eine Mission angekündigt, die 2025 starten soll und die „einen neuen Markt für Trümmerbeseitigung erschließen“ soll, so eine Mitteilung. Die „erste Weltraummüllbeseitigung“, wie die Raumfahrtbehörde die Mission „ClearSpace-1“ selbst nennt, soll von einem Konsortium unter der Leitung des Schweizer Startups ClearSpace durchgeführt werden.

Raumfahrt: Zahl der Satelliten wird weiter steigen

„Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für solch eine Mission“, sagt Luc Piguet, ClearSpace-Gründer. „In den kommenden Jahren wird die Zahl der Satelliten erheblich steigen, wobei mehrere Mega-Konstellationen von Hunderten oder sogar Tausenden von Satelliten in der Erdumlaufbahn geplant sind“, so Piguet. Er meint damit Konstellationen aus Internet-Satelliten wie „Starlink“ von SpaceX, die derzeit für Aufsehen am Nachthimmel sorgen. Es sei klar, dass ein „Abschleppwagen“ benötigt werde, um defekte Satelliten „aus dieser stark frequentierten Region zu entfernen“, so Piguet weiter.

Das neue Raumfahrtprogramm der Esa soll einen aktiven Beitrag zur Beseitigung von Raumfahrtrückständen leisten und Technologien zur Trümmerbeseitigung erproben. „Stellen Sie sich vor, wie gefährlich das Segeln auf hoher See wäre, wenn alle Schiffe, die in der Geschichte jemals verloren gegangen sind, immer noch auf dem Wasser treiben würden“, vergleicht Esa-Generaldirektor Jan Wörner in einer Mitteilung. „Das ist die aktuelle Situation im Orbit, und es darf so nicht weitergehen.“

Weltraumschrott wird mehr - auch wenn es keine Raketenstarts mehr gibt

Die Initiative „Clean Space“ der Esa prognostiziert, dass die Anzahl der Trümmer im Erdorbit auch dann weiterwachsen würde, wenn sämtliche Raketenstarts gestoppt würden. „Wir müssen Technologien entwickeln, um die Entstehung neuer Trümmer zu vermeiden und die bereits vorhandenen Rückstände zu entfernen“, so die Leiterin der Initiative, Luisa Innocenti.

Studien zeigten, dass die aktive Entfernung großer Trümmer der einzige Weg sei. Ein neues Projekt namens „ADRIOS“ (Acrive Debris Removal/In-Orbit Servicing) soll deshalb Leit-, Navigations- und Steuerungstechnologien dafür entwickeln. Außerdem wird an Greifmethoden gearbeitet und ausgetüftelt, wie man ein Rendez-vous mit Weltraumschrott durchführen kann. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen auf die Mission „ClearSpace-1“ übertragen werden.

Weltraumschrott-Entsorgung soll 2025 getestet werden

Diese Mission soll 2025 starten und eine Oberstufe der Esa-Trägerrakete Vega anpeilen, die nach dem Start im Jahr 2013 inaktiv um die Erde kreist. Ihre Masse von 100 Kilogramm sei vergleichbar mit einem Kleinsatelliten, während ihre Form und robuste Konstruktion sie zu einem geeigneten Übungsziel machen. „ClearSpace-1“ dient der Technologiedemonstration einer "Weltneuheit", wie die Esa schreibt, Folgemissionen sollen dann durchaus auch größere Ziele ins Visier nehmen und anspruchsvollere Aufgaben erledigen - unter anderem auch die Erfassung mehrere Objekte innerhalb einer Mission.

Die „Müllabfuhr“-Raumsonde wird 2025 in eine Umlaufbahn in einer Höhe von 500 Kilometern gebracht und soll sich dann dem Stück Weltraumschrott nähern, das etwas höher um die Erde kreist. Mit vier Roboterarmen soll die Sonde das Trümmerteil packen und wird dann mit ihm gemeinsam kontrolliert zum Absturz gebracht. Letztendlich verbrennen beide gemeinsam in der Erdatmosphäre - ein Schicksal, das in Zukunft viele Satelliten teilen dürften.

Weltraumschrott vermeiden: 99 Prozent aller Satelliten sollten abstürzen

Eine Studie der US-Raumfahrtorganisation Nasa empfiehlt, dass 99 Prozent aller künftigen Satelliten zum Absturz gebracht werden sollen, wenn sie ihre Mission erfüllt haben. SpaceX und OneWeb - zwei Unternehmen, die riesige Konstellationen von Internet-Satelliten errichten wollen - haben den Plan, ihre Satelliten innerhalb von fünf bis sieben Jahren in der Erdatmosphäre verglühen zu lassen. Doch das hilft nicht bei der Entsorgung der Satelliten, die längst im Erdorbit sind. Hier hilft nur eine aktive Beseitigung - beispielsweise mit Hilfe der „Müllabfuhr“-Sonde „ClearSpace-1“.