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Kohlebagger bald nur noch im Technikmuseum?© Ina Fassbender/AFP
Klimakonferenz in Madrid

Von der Leyens Öko-Deal

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Die EU gilt als vorbildlich bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Aber das reicht der Kommissionspräsidentin nicht: Bis 2030 soll es noch weniger werden.

Sie ist die Einäugige unter den Blinden. Im Vergleich zu anderen Weltregionen gilt die Europäische Union beim Klimaschutz als vorbildlich. Die CO2-Emissionen der 28 Staaten sind seit dem Basisjahr 1990 um rund 23 Prozent gesunken, Stand 2018. Damit übertrifft die EU die eigene Zielmarke von minus 20 Prozent sogar. Doch sich auf den Lorbeeren ausruhen, ist nicht. Das hat die neue EU-Kommission erkannt. Sie plant einen billionenschweren „Green Deal“, der die Union bis 2050 „klimaneutral“ machen soll. Am Mittwoch will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihn offiziell vorstellen – just in der Schlussphase des Madrider Klimagipfels.

Tatsächlich muss die EU ihre Klimapolitik ganz neu aufstellen, wenn sie die „Netto-Null“ beim CO2-Ausstoß bis Mitte des Jahrhunderts ernsthaft erreichen will. Denn das geht nicht, ohne bereits das CO2-Ziel für 2030 deutlich zu verschärfen. Bisher peilt die Union minus 40 Prozent an, und schon das ist mit den bisher geplanten Maßnahmen nicht zu erreichen. Die Kommission räumt es selbst ein, und vorige Woche hat ein Report der Europäischen Umweltagentur (EUA) das Manko dick unterstrichen. Von den 28 Ländern werden danach nur Griechenland, Portugal und Schweden sicher ihre eigenen Ziele erreichen.

Die Agentur prognostiziert, dass die EU insgesamt bis 2030 je nach Umsetzung der noch geplanten Maßnahmen nur zwischen 30 und 36 Prozent CO2- Minderung schafft. Sie mahnt einen dringenden Kurswechsel an, „um dem Klimawandel zu begegnen, die Zerstörung der Umwelt zu stoppen und künftigen Wohlstand zu sichern“. Der Öko-Check der EUA zeigt auch, dass nur sechs der 35 Umwelt- und Klimaziele der EU für 2020 erreicht werden – das betrifft unter anderem das Energiesparen, die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden, die chemische Verschmutzung sowie den Erhalt von Lebensräumen und Arten. Europa stehe im Umweltbereich „vor Herausforderungen von nie dagewesener Größenordnung und Dringlichkeit“.

Tatsächlich peilt Brüssel im Klimasektor laut internen Papieren bis 2030 eine CO2-Reduktion um „mindestens 50 Prozent“ an, um auf den Pfad zur Klimaneutralität zu kommen, eventuell aber auch „bis zu 55 Prozent“ - wobei Klimaforscher mindestens den oberen Wert für nötig halten. Emissionseinsparungen können dabei auch durch die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern erreicht werden, die dort im Schnitt billiger sind als in der EU – also über den internationalen Emissionshandel, der in Madrid gerade verhandelt wird.

Die Klimaneutralität 2050 soll in einem „Klimagesetz“ festgeschrieben werden, dessen Entwurf die Kommission im kommenden März vorlegen will. Zudem soll die gesamte EU-Gesetzgebung auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Der Strukturwandel in Kohle- und anderen Industrieregionen, die vom CO2-Einsparkurs besonders betroffen sind, will die Kommission mit einem zweistelligen Milliardenbetrag unterstützen. Das könnte auch Braunkohle-Revieren in Deutschland zugute kommen. Insgesamt soll der „Green Deal“ mit der stattlichen Summe von einer Billion Euro umgesetzt werden - aus öffentlichen und privaten Geldern. Diese Summe hatte von der Leyen für die Dauer ihrer Amtszeit genannt.

Mit Spannung wird erwartet, wie der EU-Gipfel, der Donnerstag und Freitag stattfindet, auf das Projekt reagiert. Zuletzt war ein Beschluss pro Klimaneutralität an Polen, Tschechien, Ungarn und Estland gescheitert. Diesmal könnte es dank der avisierten Strukturhilfen klappen. Selbst die Hardliner aus Polen könnten ihr Okay geben, so Insider.