Salzburgs Hee-chan Hwang: Vom untröstlichen Teenager zum Van-Dijk-Bezwinger
by Robin HaackAls Teenager war Hee-chan Hwang in Liefering sehr emotional. Heute ist er ein Star bei Red Bull Salzburg und hat sogar Virgil van Dijk düpiert.
Egal, ob Pierre-Emerick Aubameyang, Sergio Agüero, Raheem Sterling, Leroy Sane oder Jamie Vardy: Sie alle versuchten es mehrfach, doch niemandem gelang es. In der Premier League galt es lange als unmöglich, Virgil van Dijk auszudribbeln. 519 Tage lang schafften es selbst die besten Angreifer der Welt nicht, den Abwehr-Hünen nass zu machen. Erst Arsenal-Neuzugang Nicolas Pepe gelang dieses Kunststück im August dieses Jahres.
Wenige Wochen später zeigte auch ein gewisser Hee-chan Hwang, wie man den aktuell besten Verteidiger der Welt düpiert. Beim Champions-League-Spektakel zwischen dem FC Liverpool und Red Bull Salzburg suchte der Südkoreaner im LFC-Strafraum das direkte Duell mit van Dijk, täuschte einen Linksschuss an und ließ den 1,93-Meter-Schrank übel ins Leere rutschen, während er zum zwischenzeitlichen 1:3 einschoss.
Zahlreiche GIFs und Memes, die danach entstanden, hielten den verzweifelten Gesichtsausdruck von VVD fest. Für den oft unbezwingbar wirkenden Niederländer ist es ein ungewohntes Gefühl der Niederlage, für den 23-jährigen Hwang der wohl größte Moment seiner bisherigen Karriere.
Van Dijk lobt Hwang: "Er hat das sehr gut gemacht"
"Er hat das sehr gut gemacht", lobte Liverpools Abwehrchef seinen Gegenspieler nach dem wilden 4:3-Sieg der Reds. "Als Verteidiger musst du dich entscheiden: Wenn er schießt, versuchst du, den Ball zu blocken. Hätte ich das nicht gemacht, hätte man mich gefragt, warum ich nicht reingegrätscht bin. Man muss anerkennen, dass das eine gute Aktion war."
Mit insgesamt drei Toren und fünf Vorlagen in fünf Spielen zählt Hwang zusammen mit seinem Teamkollegen Erling Braut Haaland (acht Tore) zu den Shootingstars der laufenden Champions-League-Saison. Schnell, trickreich und abschlussstark hat er in den vergangenen Wochen zahlreichen Top-Verteidigern die Grenzen aufgezeigt.
Ex-Trainer Zeidler: "Er war untröstlich, wenn er Chancen vergeben hat"
"Er ist außergewöhnlich, hat eine brutale Dynamik. So etwas habe ich selten erlebt", schwärmt sein Ex-Trainer Peter Zeidler im Gespräch mit SPOX und Goal. "Schon am Umfang seiner Oberschenkel sieht man heute, was für eine Maschine er ist."
Zeidler war 2015 bei Red Bull Salzburgs Farmteam FC Liefering der erste Trainer, der den Südkoreaner in Europa betreute. Doch statt ein eiskalter Vollstrecker, der die Königsklasse aufmischt, war Hwang damals noch ein unsicherer, wenngleich enorm ehrgeiziger Teenager.
Auch vier Jahre nach der Zusammenarbeit erinnert sich Zeidler noch genau an die ersten Monate mit Hwang. "Er war untröstlich, wenn er Chancen vergeben hat", sagt der heutige Trainer des Schweizer Erstligisten FC St. Gallen. Schon damals zeichnete sich der Angreifer durch seine Dynamik aus und konnte gut mit dem Ball umgehen, "aber im Abschluss hat noch nicht alles funktioniert", wie Zeidler anmerkt.
Schon mit 19 Jahren wollte es Hwang, der in Südkorea bereits zu Schulzeiten ein gefeierter Star war und während der Unterrichtsstunden auch mal Autogramme schreiben musste, in Europa durchstarten und es allen beweisen - auch wenn es nur vor rund 400 Zuschauern in Österreichs zweiter Liga gegen Kapfenberg ging. "Er wollte nicht wahrhaben, dass selbst der beste Stürmer der Welt nicht in jedem Spiel treffen kann", erklärt sein Ex-Coach.
Um es tatsächlich auf die ganz große Bühne zu schaffen, ordnete der talentierte Offensivmann seinem großen Traum alles unter. Er war komplett allein aus Korea nach Österreich gekommen und trainierte mehr als jeder andere Spieler in Liefering, wie Zeidler bestätigt. "In der Sommervorbereitung haben wir zweimal am Tag trainiert - und es waren harte Einheiten. Abends ging es für die Spieler ins Ermüdungsbecken, aber selbst dort konnte Hee-chan nicht relaxen, sondern machte Kniebeugen oder simulierte Antritte im Wasser. Er konnte einfach nicht aufhören, zu trainieren."
Unter Marco Rose gelang Hwang der Durchbruch
Dieser Eifer und die Bereitschaft, hart an sich zu arbeiten, ermöglichten Hwang bald den Sprung zu RB Salzburg in Österreichs Bundesliga. "Er wollte das Abenteuer unbedingt annehmen", weiß Zeidler, denn er war es, der den quirligen Offensivspieler in die erste Mannschaft holte, als er die Bullen zwischen Juni und Dezember 2015 coachte. "Damals hat man gesehen, dass er fast schon besser war als der Rest des Kaders. Leider habe ich mich nicht getraut, ihn früher ins kalte Wasser zu werfen."
Nachdem Zeidler im Dezember 2015 in Salzburg entlassen worden war, ging es für den schnellen Südkoreaner weiter nach oben. Unter Trainer Marco Rose gelang Hwang endgültig der Durchbruch. Nach zwölf Ligatreffern in seiner ersten vollen Erstligasaison wurde er jedoch immer wieder von kleineren Verletzungen ausgebremst, was einen Verlust seines Stammplatzes zur Folge hatte.
Auch deshalb entschied er sich 2018 für einen Leih-Wechsel zum Hamburger SV in die 2. Bundesliga. Mit dem Ziel, Führungsspieler der Hanseaten zu sein, galt er als einer der größten Hoffnungsträger für den direkten Wiederaufstieg. Doch weder Hwang noch der HSV wussten in der vergangenen Spielzeit wirklich zu überzeugen. In 20 Einsätzen steuerte der Stürmer lediglich zwei Tore und zwei Assists bei und der Abstecher nach Deutschland endete nach nur einer Spielzeit.
Rückblickend hat ihn der Schritt zu einem riesigen Verein wie dem HSV trotzdem reifer gemacht, wie sich spätestens in dieser Saison herausgestellt hat. Unter Jesse Marsch ist er derzeit gesetzt und das Vertrauen des Trainers zahlt er mit neun Toren und 14 Assists in den ersten 21 Pflichtspielen zurück. "Seine Situation in der Vorbereitung war nicht leicht. Es war nicht klar, welche Rolle er in dieser Saison spielen würde", sagte der Amerikaner zuletzt.
Vergleiche mit Heung-Min Son in der Heimat
Dank zuletzt überragender Auftritte wird Hwang (32 Länderspiele) in seiner Heimat immer häufiger mit Volksheld Heung-min Son verglichen. Statt nur ein zweiter Son zu sein, will er allerdings seinen eigenen Weg gehen, wie er in einem Interview mit der SportBild verriet: "Als junger Angreifer beobachte ich Son natürlich sehr gerne, achte auf die Art, wie er spielt. Er ist ein sehr talentierter Fußballer, der genau weiß, wie man Tore schießt. Aber letztendlich habe ich meinen eigenen Stil, möchte als Profi-Fußballer meinen eigenen Weg gehen und mir einen eigenen Namen machen."
Ob dieser Karriereweg noch lang am Fuße der Alpen in Salzburg verlaufen wird, ist ungewiss. "Irgendwann wird der nächste Schritt kommen", ist sich auch Hwangs ehemaliger Trainer Zeidler sicher. "Es ist ja ganz normal, dass man nicht immer nur gegen Vereine wie Mattersburg, Wolfsberg oder St. Pölten spielen, sondern sich mit den ganz Großen messen will. Es wird bald nur noch darum gehen, ob er nach England oder Deutschland wechselt."