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Zurzeit glücklos, aber weiterhin zuversichtlich: Eintracht-Stürmer Goncalo Paciencia.© Kai Pfaffenbach/rtr
Eintracht Frankfurt

Eintracht-Trainer Adi Hütter holt die Feile raus

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Adi Hütter, Coach von Eintracht Frankfurt, arbeitet intensiv an den Schwachstellen und will gerade im Offensivspiel seiner Mannschaft einiges verändern.

Und dann wurde es laut auf Trainingsplatz vier, plötzlich, aus dem Nichts. Eintracht-Verteidiger Almamy Touré hatte gerade einen Angriff mit einem sinnfreien Steilpass ins Nirgendwo versemmelt, da platzte dem Frankfurter Trainer Adi Hütter der Kragen. „Mensch, konzentrier‘ dich“, herrschte der Fußballlehrer seinen Schützling an, der sich unverrichteter Dinge wieder in die Abwehr trollte und sich hernach emsig darum bemühte, den Anweisungen seines Chefs Folge zu leisten. „Irgendwann“, erklärte Hütter nach der Einheit mit leiser Stimme, „muss man halt was sagen, und am besten macht man das auf dem Platz“. Touré, präzisierte der Österreicher, sei zweifelsohne ein guter Spieler, aber man müsse ihn „ab und an aufwecken“, denn Unkonzentriertheiten dieser Art streue er „leider auch im Spiel“ immer wieder mal ein, „er macht sich das Leben selbst schwer“. Muss ja nicht sein.

Am Montagvormittag war Adi Hütter ganz in seinem Element, bei bestem Schmuddelwetter stand eine taktische Einheit auf dem Programm, die selten geworden sind in Frankfurt, weil die vielen Spiele auf nationalem und internationalem Geläuf ja kaum einen geregelten Trainingsbetrieb zulassen.

Umso intensiver arbeitete der Coach mit seinem Team, er unterbrach häufig, erklärte viel, drei-, viermal machte er selbst vor, wie die Laufwege zu sein und wo die Pässe hinzukommen haben. Training in dieser Form, so banal es sich anhören mag, ist gerade auf diesem Niveau enorm wichtig, um Automatismen zu entwickeln und Feinheiten einzuschleifen.

Denn Hütter hat sehr wohl und früher als die meisten anderen bemerkt, dass es an einigen Stellen sehr vernehmlich knirscht und knarrt. Am Montag hat er daher im Training neun gegen sechs spielen lassen, es ging für die in Überzahl angreifende Mannschaft darum, Mittel und Wege zu finden, um den Abwehrriegel zu knacken. Natürlich hätte der 49-Jährige auch die Option gehabt, acht Angreifer gegen sieben Verteidiger antreten zu lassen, was wohl praxisorientierter, also spielnäher ist, aber er entschied sich für mehr Offensive und weniger Defensive, um die Quote der Erfolgserlebnisse zu erhöhen. „Wenn man Probleme hat, sollte man beim Einfachen beginnen“, begründete Hütter. „Es geht auch darum, dass die Jungs Selbstvertrauen tanken.“

Die Trainingsarbeit plus vorheriger Videoanalyse nutzte der Fußballlehrer für einige Feinjustierungen, aber auch für größere Korrekturen, denn die Lesart des Eintracht-Spiels sagt ihm nicht in Gänze zu. Natürlich sind Angriffe über die Außen gerade für ein Team wie das der Eintracht ratsam, da Filip Kostic und Danny da Costa wie Flügelstürmer agieren und den Druck auf den Gegner hochhalten können, aber diese Variante ist dem Trainer doch zu eindimensional. Einige Kontrahenten haben die Eintracht zuletzt relativ leicht entschlüsseln können. Das schmeckt Hütter nicht. „Wir müssen variabler werden“, forderte er. „Wir müssen beginnen, mehr durchs Zentrum zu spielen.“ Etwas mehr Unberechenbarkeit könnte den Frankfurtern fürwahr nicht schaden.

Und Hütter hadert auch so ein bisschen mit seinen Stürmern. „Die Bewegung der Spitzen in der Box ist nicht gut“, befand er. Beide Angreifer, also Goncalo Paciencia und André Silva, würden „oft die gleiche Position“ einnehmen, das sei kontraproduktiv und vorhersehbar. In der Tat: Gerade in den letzten beiden Heimspielen gegen Wolfsburg (0:2) und jüngst Hertha BSC (2:2) war zu wenig Tiefgang zu sehen, überdies sind zu viele Hereingaben am kurzen Pfosten abgefangen worden. „Für die Verteidiger ist das angenehm, wenn sie an der ersten Stange schon klären können“, sagte Hütter. Genau dort müssten seine Stürmer eher präsent sein. Er plädiert auch dafür, dass die Außenbahnspieler den Ball häufiger hart in die Mitte schlagen und auf gechippte Flanken verzichten. „Wir müssen da mehr Risiko gehen, der Ball muss scharf und flach vorne rein, es muss was passieren.“

Daueroptimist Paciencia

Dezente Kritik, die der Trainer intern auch so angebracht hat. Das bestätigte Angreifer Paciencia, der einräumte, dass das Zusammenspiel und die Abläufe zu Beginn der Saison besser geklappt hätten. „Jetzt ist es nicht mehr so gut“, sagte der Portugiese, „aber wir sind halt nicht perfekt.“ Vieles entstehe aus der Situation heraus, intuitiv, manchmal, erzählte er, laufe man zum ersten Pfosten und der Ball komme zum zweiten – oder umgekehrt. „Das ist einfach so, es sind ja nur kurze Momenten, in denen man entscheiden muss. Manchmal läuft es nicht. Das Wichtigste ist, positiv zu bleiben“.

Die Angreifer lahmen derzeit ohnehin, auch Vielspieler Paciencia, der zuletzt nicht mehr so performte und traf wie zu Beginn. „So ist das im Fußball“, sagte er nonchalant. „Man darf sich nicht verrückt machen, sondern muss weiter hart trainieren. Denn wenn du zu viel nachdenkst, klappt es erst recht nicht.“ Er gehe entspannt mit der Situation um, „ich habe mein ganzes Leben lang Tore geschossen, ich werde auch jetzt wieder welche schießen“, bekundete er. Dass er zurzeit etwas überspielt und müde wirke, wischte er mit einem einnehmenden Lächeln beiseite. „Ich bin topfit und gut in Form.“

Das will er am Donnerstag in der Europa League gegen seine Landsmänner von Vitoria Guimaraes beweisen, da geht es um nicht weniger als den Einzug ins Sechzehntelfinale. „Es ist ein fantastisches Spiel im richtigen Moment, um unsere schlechte Serie zu beenden.“ Den Negativfall blendet der Daueroptimist natürlich geflissentlich aus.

Der Rasenfunk zum Spiel gegen die Hertha