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Drei Mal Peer Gynt: (v. l.) Jan Thümer, Nils Hohenhövel, Günter Franzmeier auf wilder Talfahrt.© www.lupispuma.com/VT

Welt ohne Sinn und Verstand

Viktor Bodó inszeniert Ibsens enigmatisches Dramengedicht "Peer Gynt" am Volkstheater als kurzweilige Irrfahrt eines Psychopathen.

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Auf dieser Bühne spukt es. Seltsame Töne sind zu hören - ein zischendes Surren, ein gellendes Pfeifen, unvermutet rollen schwarze Kugeln über den Boden oder fallen gar vom Bühnenhimmel, manche Türen lassen sich überhaupt nicht öffnen, andere verschließen sich wiederum wie von Geisterhand. Eine Welt ohne Sinn und Verstand. Willkommen bei "Peer Gynt", der letzten Volkstheater-Premiere vor der renovierungsbedingten Schließung am 1. Jänner. Bis dahin fegt Viktor Bodós "Peer Gynt"-Inszenierung noch durchs ehrwürdige Gemäuer, danach übersiedelt die Bühne in die Halle E, im benachbarten Museumsquartier. Läuft alles nach Plan, wird das Volkstheater im Jänner 2020 unter dem neuen Direktor Kay Voges wieder eröffnet.

Bodós Peer Gynt ist ein Bruder Leichtfuß und die Regie hat ihm eine saftige Psychose diagnostiziert mit zunehmendem Realitätsverlust. Das mag nicht unbedingt die tiefgründigste Lesart sein, aber sie erweist sich als schlüssig.



Henrik Ibsens dramatisches Gedicht, 1867 verfasst, durchmisst ein ganzes Leben und bereist die Welt vom hohen Norden bis nach Afrika und wieder zurück. Das Stück, das zu Ibsens bekanntesten Werken zählt, wurde als "nordischer Faust" beschrieben, nimmt Anleihen an Märchen, liebt das Vexierspiel zwischen Fantasie und Realität. Vom Schelmenroman und der Abenteuergeschichte bis zum Psychogramm einer gescheiterten Existenz bietet das in Versen verfasste, von Christian Morgenstern übersetzte Stück Anhaltspunkte für vielerlei Deutungen - die Losung: Peer Gynt, der Psychopath, wirkt durchaus stimmig.

Hirngespinste

Die Titelrolle teilt der ungarische Regisseur, einer der prägenden Bühnenkünstler von Anna Badoras Intendanz, auf drei Akteure auf. Die Rollenverteilung erfolgt altersgemäß: Volkstheater-Neuzugang Nils Hohenhövel verkörpert mit Verve den jungen Peer, man nimmt ihm den wilden Träumer und verrückten Brautentführer gern ab. Jan Thümer stellt wohl die schwierigste Phase dar, etwa jene Episode, als Peer Gynt durch Sklavenhandel zu Wohlstand gekommen ist. In Bodós Regie exerziert Thümer den rasenden Stillstand der Reichen und Schönen durch: Koks und Golf, Oper und Austern. Günter Franzmeier spielt den alternden Peer und vermag dieser ergiebigen Lebensphase (Irrenhaus! Knopfgießer!) erstaunlich vielfältige Facetten abzugewinnen. Zu den Höhepunkten des Abends gehören jene Szenen, in denen alle drei Peer-Darsteller miteinander agieren, sie sind einander Freund und Feind, jonglieren mit Stichworten oder bringen sich zum Schweigen.

Bodó setzt in der zweistündigen Aufführung vor allem auf die absurden Qualitäten des Stücks, macht um die tiefergehenden Dimensionen, die dunkleren Seiten der Figur einen Bogen. Die Kardinalfrage, die Peer Gynt auf seiner Irrsinnsfahrt umtreibt, die Frage nach dem richtigen Leben im falschen, bleibt das bloße Hirngespinst eines kranken Geistes. Ob er damit des Pudels Kern von Ibsens Stück getroffen hat?