Wiener Landesgericht spricht Inter-Fans frei
Vier Männer sollen beim Europa-League-Spiel im Allianz-Stadion zwischen Rapid Wien und Inter Mailand am 14. Februar 2019 "Sieg Heil" gerufen und den Hitlergruß gezeigt haben.
Die Staatsanwaltschaft hatte die vier im Alter zwischen 31 und 35 Jahren am Montag vor dem Wiener Landesgericht angeklagt.
Den Geschworenen reichte die Beweislage allerdings nicht aus. Nach einer ausgesprochen kurzen Beratungszeit wurden die Inter Mailand-Fans, die eigens zur Verhandlung nach Wien gereist waren, einstimmig von der Anklage freigesprochen.
Mehrere hundert italienische Fans verfolgten das Spiel
Mehrere hundert italienische Fans hatten am 14. Februar 2019 das Match an Ort und Stelle verfolgt, das Inter Mailand mit 1:0 gewann. Nach der Partie wurden die Anhänger der erfolgreichen Mannschaft von der Polizei vor dem Stadion abgesondert und per Lautsprecher um Geduld gebeten. Sie mussten warten, bis sich die Rapid-Fans entfernt hatten. Einige Inter-Fans sollen sich plötzlich mit "Sieg Heil!"-Rufen bemerkbar gemacht, zumindest einer zudem den ausgestreckten rechten Arm in die Höhe gereckt haben.
Die Angeklagten und ihr Verteidiger Manfred Arthofer wiesen diese Darstellung zurück. "Das stimmt nicht. Wir haben nur Inter-Lieder gesungen. Und Studentenlieder, zweideutige Lieder", versicherte einer der Tifosi. Da hebe man die Hand, manchmal auch die rechte, "je nachdem, wo ich das Bier habe". Alle vier beteuerten, sie hätten keine deutschen Satzteile in ihre Gesänge eingestreut und seien in politischer Hinsicht nicht rechts einzuordnen.
Das Schwurgericht - der vorsitzende Richter Georg Olschak outete sich gleich zu Beginn der Verhandlung als Rapid-Fan ("Sie sind Inter-Fans? Da geht es Ihnen derzeit besser als mir als Rapid-Fan") - ließ sich in weiterer Folge den Fan-Gesang der Italiener im Gerichtssaal demonstrieren. "Das sind keine brandschatzenden Ultras", betonte Verteidiger Arthofer. Unter Verweis auf die beruflichen Tätigkeiten einiger seiner Mandanten meinte er: "Der eine ist ein Eisverkäufer vom Gardasee, der andere ein Kellner vom Gardasee. Das sind keine Rechtsradikalen. Das sind vier Freunde, die ein gemeinsames Steckenpferd haben. Den Fußball. Und deswegen müssen sie sich vor Gericht verantworten."
Fragwürdige Ermittlungen des Wiener Landesamt
In dieser Sache habe sich das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) und Terrorismusbekämpfung fragwürdiger Ermittlungsmethoden bedient, meinte Arthofer. So wurde bei der Befragung der Beschuldigten, die kein Deutsch sprechen, kein gerichtlich beeideter Dolmetscher beigezogen. Als Übersetzer habe sich ein Beamter "mit Kung Fu-Italienisch-Kenntnissen" betätigt, sagte Arthofer.
Außerdem sei vom LVT ein Protokoll vorfabriziert worden, das dann jenen Polizeibeamten vorgelegt wurde, die den italienischen Fan-Zug begleitet und die angeblichen Wiederbetätiger inmitten einer Hundertschaft ausgemacht hatten. Diese Beamten hätten das Ganze nur mehr unterschrieben, als sie zu ihren Zeugenaussagen ins LVT gebeten wurden.
Tatsächlich bestätigten mehrere Polizisten, die im Anschluss vom Gericht vernommen wurden, diese Darstellung. Demnach wurde ihnen ein am 22. Februar ausgedrucktes Protokoll vorgelegt, dessen Inhalt sie Tage später mit ihrer Unterschrift beglaubigten. Man habe ihm beim LVT gesagt "Du bist einer der Letzten, du wirst auch nicht mehr viel was Anderes sagen", schilderte einer der Beamten, der erst Ende Februar befragt worden war.
Ein Kollege gab an: "Die Einvernahmen waren vorgefertigt. Wir haben's durchgeschaut, dann unterfertigt." Es sei aber grundsätzlich Gelegenheit geboten worden, zuvor noch Ergänzungen oder Änderungen vorzunehmen.
Dem vorsitzenden Richter missfiel diese Vorgangsweise, wie er deutlich machte: "Wir spielen uns hier als Wahrer des Rechtsstaats auf. Das schaut hier nicht nach Rechtsstaat aus, was das LVT da produziert hat."
Angeklagte streiten "Sieg Heil"-Rufe ab
Die Angeklagten waren sich einig, dass sich die Polizisten verhört haben mussten. Nach den angeblichen "Sieg heil!"-Rufen waren die italienischen Fans bis zur nächsten U-Bahn-Station und weiter in der U-Bahn begleitet worden. Als sie in der Station Schwedenplatz ausstiegen, bot sich die Gelegenheit, die vier Verdächtigen, die später zur Anklage gebracht wurden, anzuhalten und ihre Personalien aufzunehmen. Ein bis zwei weitere Tatverdächtige entwischten.
Im weiteren Verlauf wurde eine szenekundige Beamtin beigezogen, die des Italienischen mächtig ist. "Sie haben zugegeben, dass sie ein deutsches Lied gesungen haben", sagte die Polizistin im Zeugenstand. Einer der Angehaltenen, die später auf die nächste Polizeiinspektion gebracht und formell vernommen wurden, habe eingeräumt, dass "Sieg Heil!" gefallen sei. Wer das gewesen sei, konnte sie nach einem Blick auf die Anklagebank nicht angeben.
Während sich die vom LVT vorgelegten Aussagen der übrigen Polizisten wie aus einem Guss lasen, fielen die Angaben der Beamten mit unmittelbaren Wahrnehmungen vor dem Fußball-Stadion recht unterschiedlich aus. Einige behaupteten, die Angeklagten hätten durchgehend auf Italienisch gesungen und dazwischen die inkriminierte deutsche Passage fallen gelassen.
Andere berichteten, es habe hinsichtlich des "Sieg heil!" "keinen Kontext" zu den Fan-Gesängen gegeben bzw. sich um "isolierte Worte auf Deutsch" gehandelt, die als direkte Reaktion auf die Ansagen aus dem Lautsprecher erfolgten. Einige, aber nicht alle der insgesamt sieben Zeugen konnten die anstößige, auch in Italien verbotene Wortfolge einzelnen Angeklagten zuordnen. Welcher der vier Italiener den Hitlergruß gemacht haben soll, blieb bis zuletzt unklar.
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Textquelle: © LAOLA1.at/APA