Wada-Signal ist zu wenig

Hör auf zu betrügen, Russland!

by
https://apps-cloud.n-tv.de/img/21446896-1575901276000/16-9/750/imago45217511h.jpg
Eine harte Strafe - aber dennoch nur eine Kompromisslösung: Die Wada sperrt Russland für vier Jahre.(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Die Welt-Doping-Agentur sperrt Russland für vier Jahre von allen Sport-Events. Ein wichtiger Fingerzeig - aber mehr auch nicht. Die Kompromisslösung erlaubt Athleten unter neutraler Fahne weiterzumachen und Staatsdoping in Russland dürfte so ein neues Schlupfloch finden.

Die Sport-Welt sendet ein klares Signal an Russland: Hör auf zu betrügen! Die Welt-Doping-Agentur Wada sperrt Russland für vier Jahre von allen Sport-Events nach der Manipulation von Dopingdaten gesperrt. Es sind die härtesten Doping-Strafen jemals. Ein Schlag ins Gesicht für Präsident Wladimir Putin, der stets versucht, mittels seiner Athleten ein positives Licht auf den totalitären Staat scheinen zu lassen und der über das Staatsdoping-System natürlich informiert war. Allerdings: Die Wada-Entscheidung ist eine Kompromisslösung. Denn viel mehr als Symbolcharakter haben die Sanktionen nicht – eigentlich werden nur Flagge und Nationalhymne gesperrt. Russische Wettkämpfer werden weiter in dem Staatssystem trainieren und bei Sportereignissen dann eben unter neutraler Flagge starten. Moskaus Dopinghistorie gibt genug Grund zur Befürchtung, dass das Land auch weiterhin Schlupflöcher im System suchen und finden wird.

Nach Jahren des Staatsdopings, der Manipulation und Skandale hat Russland den Bogen mit der Manipulation von Doping-Daten soweit überspannt, dass selbst der IOC-Präsident Thomas Bach, bekannt als Putin-Freund, den Wada-Beschluss "für uns bindend" nannte. Deshalb sind die Sanktionen absolut gerechtfertigt – und längst überfällig: Zu lange hatte Russland den eigenen Athleten einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschafft. Zu frech dachten Putin und Co., sie könnten einfach so weitermanipulieren wie immer. Nun müssen sie sich die prestigeträchtigsten Sportevents der nächsten Jahre, die Sommerspiele in Tokio im nächsten Jahr und die Fußball-WM 2022 in Katar vor dem Fernseher anschauen, den Offiziellen ist schon ein Besuch untersagt.

Auch darf Russland vier Jahre lang keine internationalen Sportevents, die sich dem Wada-Code verpflichten, auf eigenem Staatsgebiet ausrichten – Sportwashing, das zum Beispiel mit der Formel 1 in Sotschi betrieben wird, ist jetzt endlich seltener möglich und wird hoffentlich auch in Menschenrechte missachtenden Ländern wie Saudi-Arabien, China oder Katar bald verstärkt gekontert. Die Uefa sollte sich ein Beispiel an dem Wada-Beschluss nehmen, will sie das Finale der Fußball-Champions-League doch weiterhin in Sankt Petersburg ausrichten lassen.

Gesperrt sind nur die russische Flagge und Hymne

Das Signal der Wada ist ein starkes und wichtiges. Auch andere Länder wie die USA und China machen immer wieder mit gedopten Wettkämpfern auf sich aufmerksam und gehören strengstens beobachtet. Aber mehr als ein Symbol ist es nicht. Denn gesperrt sind eigentlich nur die russische Flagge und Nationalhymne: Russen können weiterhin an Sportevents unter neutraler Fahne teilnehmen, wenn sie beweisen können, dass sie nicht Teil des Staatsdopings waren. In der Vergangenheit urteilte das IOC da sehr gönnerhaft, um seinen russischen Freunden nicht zu sehr auf die Füße zu treten (schließlich sitzen mit dem Japaner Yasuhiro Yamashita und Fifa-Boss Gianni Infantino ab Januar zwei ausgesprochene Russland-Fürsprecher in der IOC-Führung).

Dabei sollen eigentlich quälende Verfahren wie vor den Spielen von Rio 2016 und Pyeongchang 2018 allen Beteiligten erspart werden, damit in Tokio der Sport im Mittelpunkt steht und nicht Staatsdoping. Das alles wirft die Fragen auf: Wer in Russland war wirklich nicht in Doping-Skandale verwickelt? Und lässt sich das überhaupt noch lückenlos beweisen?

Natürlich ist es an sich richtig, wenn das System und die Entscheider bestraft werden und nicht alle Athleten, von denen sicher einige sauber sind. Allerdings sind auch die russischen Sportler Teil des Systems, das dafür bekannt ist, stets neue Schlupflöcher zu suchen und zu finden. Und somit klettert in den kommenden vier Jahren auch immer ein gewisser Zweifel mit aufs Podium, wenn dort russische Athleten unter neutraler Flagge jubeln. Und mit dieser Wada-Kompromisslösung werden nun auch saubere Sportler aus anderen Nationen gewissermaßen bestraft - müssen sie nicht nur weiterhin gegen Akteure aus einem jahrelang aktivem Staatsdoping-System antreten, sondern auch gegen diesen Zweifel.