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Wer sich lange bildet oder irgendwann nicht mehr kann, ist selber schuld.© Oliver Berg/dpa
Analyse

Wenn Nationalisten streiten

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Komplett neoliberal oder national-sozial? In der Rentenpolitik ist die AfD gespalten. Ein Parteitag soll im April entscheiden.

Die Entscheidung wurde lange vermieden, aber 2020 soll es so weit sein: Wie jetzt bekannt wurde, trifft sich die AfD Ende April in Offenburg zum Parteitag um ein Rentenkonzept zu verabschieden. Anders als bei Themen wie der Migration, wo sich die parteiinternen Lager allenfalls in Stil und Ton unterscheiden, geht es hier um eine echte Richtungsentscheidung.

Zwei entgegengesetzte Konzepte stehen sich gegenüber. Da ist auf der einen Seite der neoliberale Ansatz, der vor allem mit dem Namen Jörg Meuthen verbunden wird: Für ihn, hat der Bundessprecher einmal gesagt, habe das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung „keine Zukunft“.

Meuthen setzt sich ganz im Stil des radikalen Neoliberalismus für eine weitgehende Privatisierung der Altersvorsorge – also die Auslieferung der künftigen Rentnerinnen und Rentner an die Finanzmärkte – ein. Daneben soll es lediglich eine steuerfinanzierte Minimal-Absicherung geben.

Immer wieder kursiert in der AfD auch die Idee, den Renteneintritt nicht an das Lebensalter zu binden, sondern an die Lebensarbeitszeit: „Wer mit 15 Jahren anfängt zu arbeiten und Rentenbeiträge zu zahlen, sollte auch mit 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Wer sich hingegen mit seiner Ausbildung viel Zeit lässt, muss dann auch die Konsequenz ziehen und erst später in die Rente eintreten“, hieß es 2018 in einem Papier des Bundestagsabgeordneten Uwe Witt und des Oberurseler Stadtverordneten Peter Lutz. Auf Deutsch: Wer sich lange bildet oder irgendwann nicht mehr kann, ist selber schuld.

Den absoluten Gegenpol zu den National-Neoliberalen bildet die Thüringer AfD mit Björn Höcke an der Spitze. Deren Rentenkonzept argumentiert teilweise wie Politiker und Wissenschaftler aus dem linken Lager – verbindet aber die Stärkung der gesetzlichen Rente mit der radikal nationalistischen Idee, bei der Rente eine Art Zwei-Klassen-System zwischen deutschen Staatsbürgern und Nichtdeutschen einzuführen.

Höckes Papier wirkt in weiten Teilen, als wäre es bei dem Koblenzer Demografie-Experten Gerd Bosbach abgeschrieben, einem der profiliertesten linken Kritiker der Rentenpolitik. Da ist der Hinweis, dass allein die Gewinne aus der steigenden Produktivität von Arbeit höhere Beiträge finanzieren könnte, ohne die Belastung im Verhältnis zur Wirtschaftskraft zu steigern. Dazu gehört die Absage an die „private Säule“ ebenso wie eine Absicherung des Rentenniveaus über 2045 hinaus.

Daneben aber soll es eine „Staatsbürgerrente“ geben, eine Art Grundrente nur für Deutsche. Aber selbst wer diese Diskriminierung von Migranten befürworten zu müssen glaubt, sollte bis zum Ende lesen: Hier wird ähnlich wie bei den Neoliberalen eine „Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ gefordert. Wer relativ früh in Rente gehen will, wird mit Abschlägen bestraft.

Auf Grundlage dieser Konzepte wird der Parteitag wohl auch zur Auseinandersetzung über eine sehr grundsätzliche Frage: Will die AfD den Weg des „Sozialen Patriotismus“ gehen, für den einige Protagonisten neurechter Denkfabriken werben – oder bleibt es beim nationalen Neoliberalismus ihrer Gründer?

Wie auch immer: Wer für die Zukunft auf eine sichere und diskriminierungsfreie Rente setzt, wird bei dieser Partei sicher nicht fündig werden.