US-Notenbank

Ehemaliger Fed-Chef Paul Volcker gestorben

Ein halbes Jahrhundert prägte Paul Volcker Amerikas Wirtschafts- und Finanzsystem. Am Sonntag verstarb er im Alter von 92 Jahren. Für nützlich hielt er nur eine Innovation.

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Paul Volcker

Er führte die US-Notenbank von 1979 bis 1987.(Foto: AFP)

New York, Düsseldorf. Der frühere Chef der US-Notenbank Federal Reserve, Paul Volcker, verstarb am Sonntag im Alter von 92 Jahren. Amerika verliert einen bedeutenden Finanzexperten, der das Finanzsystem mehr prägte als jeder andere Notenbanker seiner Generation.

Volcker führte die US-Notenbank von 1979 bis 1987 und steuerte die Wirtschaft durch eine besonders schwere Zeit. Amerika kämpfte mit hohen Inflationsraten von bis zu 15 Prozent, während die Wirtschaft vor sich hin dümpelte. Volckers Mission in Washington war klar: Er musste die Preissteigerung unter Kontrolle bringen.

Das schaffte ihm viele Feinde, doch Volcker hielt Kurs. Zwar stiegen die Zinsen auf bis zu 20 Prozent an, was das Wachstum bremste und vor allem die Baubranche und den Agrarsektor hart traf. Die Arbeitslosenquote stieg Ende 1982 auf fast elf Prozent. „Wusste ich damals, dass die Zinsen so stark steigen mussten, bevor wir erfolgreich sein würden?“, schrieb er in seinen 2018 veröffentlichten Memoiren und beantwortete die Frage gleich: „Nein.“

Volckers Sturheit zahlte sich aus. Der mehr als zwei Meter große Mann stabilisierte die Lage. „Die stabile Weltwirtschaft der 80er- und 90er-Jahre basiert auf Volckers Sieg über die Inflation“, lobte Autor Charles Morris in dem 2009 veröffentlichten Buch „The Sages“. 1987 trat Volcker nach zwei Amtszeiten an der Spitze der Notenbank zurück und wurde von Alan Greenspan abgelöst.

Volcker arbeitete zunächst für eine auf Fusionen und Übernahmen spezialisierte Beratungsfirma, Wolfensohn. Ende der 90er-Jahre leitete der Enkel deutscher Einwanderer eine Kommission, die die Entschädigungszahlungen von Schweizer Banken an Holocaust-Opfer begleitete. 2008 wurde er von Barack Obama mitten in der Finanzkrise zurück in den Dienst gerufen. Obama machte ihn kurz nach seiner Wahl zum US-Präsidenten zum Chef einer Beratungskommission, die sich auf den Wiederaufbau der Wirtschaft konzentrieren sollte.

Geldautomat die „einzige nützliche Innovation“

Die nach ihm benannte Volcker-Regel floss in die umfassende Finanzreform von 2010 ein. Sie begrenzte spekulative Investments von Banken in Hedgefonds und Private-Equity-Firmen. Doch in der Umsetzung wurde Volckers Forderung abgeschwächt und verkompliziert, was sie bei Bankern besonders unbeliebt machte. Auch Volcker war mit dem Ergebnis letztlich nicht zufrieden. Einige der Vorgaben wurden in den Jahren nach der Krise wieder aufgehoben.

Innovationen in der Finanzindustrie wie Kreditausfallversicherungen, sogenannte Credit Default Swaps, hielt er bis zum Schluss für gefährlich. Im Grunde, befand er 2009, sei der Geldautomat die „einzige nützliche Innovation“, die die Finanzbranche über Jahrzehnte zustande gebracht habe.

Volcker war kein Mann der lauten Töne. Er sprach ruhig und leise, aber jeder hörte hin, wen er etwas sagte. Für deutsche Themen interessierte er sich immer, beispielsweise 2011 bei einem Interview während der Griechenlandkrise. „Retten Sie den Euro!“, sagte er da zu deutschen Journalisten zum Abschied.

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