https://www.rbb24.de/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2019/2019_12/2019_12_imago/klinsmann1.jpg.jpg/size=1920x1080
Bild: imago images/ osnapix
Interview | Biograf Erik Kirschbaum

"Mit Klinsmann hat Berlin einen Glücksgriff gemacht"

Für den US-Journalisten Erik Kirschbaum kommt Jürgen Klinsmann als Hertha-Trainer genau richtig. Einerseits, sagt Kirschbaum im Interview, weil "Klinsi" jede Mannschaft verbessern kann. Andererseits, weil Hertha BSC für ihn eine Herzensangelegenheit ist.

Der Amerikaner Erik Kirschbaum [twitter.com] stammt aus New York und lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Er schreibt viel über Politik, Wirtschaft, Unterhaltung und Sport. 2016 veröffentlichte er die Biografie "Jürgen Klinsmann - Fussball ohne Grenzen" erst auf Englisch und dann auf Deutsch. Die Idee zu dem Buch kam dem New-York-Giants-Fan vor und während der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Nach ein paar Jahren erklärte sich Jürgen Klinsmann dann bereit dazu. Im rbb|24-Interview spricht der Amerikaner über den Hertha-Fan Klinsmann, über Champions-League-Träumereien und warum der neue Cheftrainer von Hertha BSC jedem Verein gut tun würde.

Gewinnspiel

Gewinnen Sie die Klinsmann-Biografie von Erik Kirschbaum. "Jürgen Klinsmann - Fussball ohne Grenzen". Schicken Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff Klinsmann an sport@rbb-online.de und eventuell gehören Sie zu einem der drei Gewinner.

rbb|24: Wer sich ein Jahr lang mit Jürgen Klinsmann in Kalifornien und Deutschland trifft und anschließend ein Buch über "Klinsi" schreibt, der dürfte den neuen Hertha-Coach doch sehr gut kennen. Was für ein Mensch ist denn der Schwabe mit dem blauweißen Herzen?

Erik Kirschbaum: Allzu nah bin ich ihm auch nicht gekommen. Wir haben uns nie bei Jürgen Klinsmann zu Hause getroffen, immer nur in Cafés oder Restaurants. Er ist ein sehr sympathischer und freundlicher Mensch. Was mich so beeindruckt bei Jürgen Klinsmann, ist die Tatsache, dass er Dinge immer verbessern will. Wie ein schwäbischer Tüftler möchte er immer einen besseren Weg finden und er sprudelt nur so vor Ideen.

Hertha-Fans könnten sich eventuell mit schwäbelnden Tüftlern etwas schwer tun -  trotzdem bringt der Süddeutsche Klinsmann eine Art "Hertha-DNA" mit - nur eben anders als die seiner Vorgänger Ante Covic und Pal Dardai.

Ja, er berlinert ja nicht, sondern schwäbelt eher, aber trotzdem mag er Hertha BSC sehr. Sein Vater Siegfried kam aus Hohenwutzen in Brandenburg (nordöstlich von Berlin an der Grenze zu Polen, A.d.R.) und als Jürgen als achtjähriges Kind in Stuttgart zum ersten Mal zum Fußball ging, stand er mit Hertha-Fahne im Gästeblock und nicht beim VfB. Außerdem hat er mir erzählt, dass er sehr stolz darauf war, dass sein Sohn Jonathan von 2017 bis 2019 als Torwart bei Hertha spielen durfte - und auch beim 125. Geburtstag der Alten Dame hielt Jürgen Klinsmann ja eine Rede. In die Aufsichtsratsposition ist er ja auch nur eingestiegen, weil er glaubt, dass Berlin mit Hertha eine Spitzenmannschaft verdient habe, die um die Meisterschaft mitspielen soll und in der Champions League vertreten sein muss.

Und plötzlich sitzt er als Cheftrainer auf der Bank bei Hertha BSC.

Ja, da war ich schon ein bisschen überrascht. Er wollte wohl eher eine Nationalmannschaft in Südamerika übernehmen, hatte ja extra Spanisch gelernt - und dann kam diese Schwächephase bei Hertha. Jetzt ist er eben Cheftrainer bis zum Saisonende und wird die Hertha sicherlich weit von der Relegationszone wegführen. Er will jeden Spieler jeden Tag etwas besser machen und das gelingt ihm ja auch. Seine Jungs laufen jetzt mehr, kämpfen mehr - er ist auf jeden Fall für jede Mannschaft eine Bereicherung.

Sein Engagement als Bundestrainer von 2004 bis 2006 ist mit dem "Sommermärchen" unvergesslich geworden - das Amt als Cheftrainer beim FC Bayern München von 2008 bis 2009 hat Jürgen Klinsmann nicht so viel Ruhm und Ehre gebracht. Wie ist er mit der Situation damals umgegangen?

Hätte er damals in München mehr Zeit gehabt, wäre das auch viel besser für ihn ausgegangen. Und so schlecht war Jürgen Klinsmann als Trainer bei den Bayern gar nicht. Man vergisst oft, dass er dort vieles zum Positiven hin geändert hat. Nach seiner Entlassung waren die Bayern ja regelmäßig im Halbfinale der Champions League und haben ansehnlichen Fußball gespielt.

Nach attraktivem Fußball sehnen sich ja auch die Hertha-Fans - wie hat Jürgen Klinsmann denn von Kalifornien aus den Bundesligisten verfolgt?

Ich war im letzten Jahr im Herbst ein paar Mal im Olympiastadion und habe Jürgen ein paar Bilder vom halb leeren Stadion geschickt. Er findet es immer schade, wenn die Hertha-Arena nicht voll ist, und wusste immer, was bei Hertha gerade los war. Auch was bei den anderen Bundesligaklubs passierte, hat er immer mitbekommen. Er ist in Kalifornien wohl extra früh aufgestanden, um die Bundesliga schauen zu können. Mit Klinsmann hat Berlin wirklich einen Glücksgriff gemacht. Der will die Tradition nicht bei Hertha BSC kaputt machen, sondern den Verein weiterentwickeln. Er weiß auch, dass er dafür alle Fans benötigt, und er gibt sich nicht mit 30.000 Menschen im Olympiastadion zufrieden, sondern er möchte 70.000. Er weiß, was für eine bombastische Stimmung dann herrschen kann.

Und wo landet Hertha BSC mit dem Cheftrainer Jürgen Klinsmann am Ende der Saison?

Er guckt nach vorne und will Großes bewegen. Er versucht das alles nicht, damit Hertha die Klasse hält, sondern in fünf Jahren um die Meisterschaft mitspielt. Dass jeder Fan sagen kann, "Wow - wir spielen einen tollen Fußball". Hertha BSC soll regelmäßig in der Champions League mitspielen - das hat Klinsmann vor. Der Verein hat jetzt so lange im Mittelmaß rumgedümpelt, eine europäische Hauptstadt hat wirklich etwas Besseres verdient.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Telefoninterview führte Friedrich Rößler, rbb-Sport.

Sendung: Hauptstadtderby - der rbb Fußball-Podcast