Offene Türen, geschlossene Klodeckel
by Benedikt WarmbrunnFeng Shui, die daoistische Harmonielehre, die den Menschen in Einklang mit seiner Umgebung bringen soll, hat ihren Einfluss schon auf Grabstätten, chinesische Gartenkunst, Stadtplanung und westliche Schlafzimmergestaltung (niemals das Bett gegenüber von der Tür!) ausgeübt, doch ein Bereich des Lebens hat sich standhaft gegen die Denkschule behaupten können. An der Bundesliga sind die Leitsätze des Feng Shui bisher abgeprallt wie ein Besucher, der sich, noch in der Wohnungstür stehend, sofort in einem Spiegel sieht (streng verboten!). Nun aber ist Jürgen Klinsmann zurück in der Liga, und schon sind die Geister der Luft und des Wassers mit dem deutschen Fußball wieder versöhnt.
Am Freitag, beim 2:2 von Hertha BSC in Frankfurt, soll der Berliner Trainer Klinsmann Frankfurter Ordner angewiesen haben, ihrem Sicherheitsdienst im Kabinengang nicht in ihrer gewählten Aufstellung nachzugehen - sie würden beim Feng Shui im harmonisierten Hertha-Umfeld stören. Die noch unwissenden Frankfurter Funktionäre sollen verständnislos reagiert haben. Bald schon werden aber auch sie von den Energieströmen dieser unvermeidbaren Kulturrevolution erfasst werden.
Die nächsten Maßnahmen des Hertha-Trainers sind so logisch wie vorhersehbar: Vor dem Heimspiel gegen Freiburg am Samstag wird Klinsmann die Türen aus den Kabinen entfernen lassen (keine Blockaden für das Fließen der Lebensenergie Qi!), beim Auswärtsspiel in Leverkusen wird er alle Spiegel entfernen lassen (keine verbrauchte Energie zurückwerfen lassen!), kurz vor Weihnachten gegen Tabellenführer Gladbach wird er durch das Olympiastadion gehen und eigenhändig alle Toilettendeckel schließen (keine guten Energien ins Kanalsystem fließen lassen!).
Ob die Feng-Shui-Lehre allein zum Klassenverbleib reichen wird, ist umstritten. Sollte die Hertha aber den 15. Tabellenrang nicht verteidigen können, steht jetzt schon fest, dass Klinsmann den harmonischsten Absteiger der Ligageschichte betreut haben wird.