Überfallartiger Drang

Was tun, wenn eine überaktive Blase zum Problem wird?

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Das Erstaunliche vorweg: Es gibt sie tatsächlich noch, die peinlichen Dinge in der Medizin.

Etwa die Inkontinenz, wegen der nur etwa jeder Dritte aller Betroffenen überhaupt zum Arzt geht! Zwei von dreien sitzen es aus, was erstaunlich ist in einer Zeit, in der wir uns vor intimsten Beichten Prominenter kaum retten können. Dabei ist Inkontinenz überaus häufig. Noch häufiger ist die so genannte überaktive Blase. Die tritt mit Inkontinenz auf, aber auch ohne.

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Dr. Magnus HeierFoto: Magnus Heier

Das Hauptsymptom: Die Patienten, meist Patientinnen, müssen zehn, zwanzig oder noch mehr mal pro Tag auf die Toilette. Und das meist nicht entspannt, sondern überfallartig – innerhalb von Sekunden. Was sehr viel problematischer ist, als es klingt: Denn ein normales Leben mit Einkaufen, Spazierengehen, Autofahren, Treffen mit Freunden ist oft unmöglich. Auch der nächtliche Schlaf ist empfindlich gestört, wenn die Menschen mehrfach pro Nacht aus dem Bett müssen.

Dabei ist die überaktive Blase keine Seltenheit: Jede siebte Frau soll betroffen sein. Männer trifft es seltener. Bei beiden Geschlechtern wird die Symptomatik mit dem Alter häufiger und stärker. Entsprechend spricht nichts dafür, einfach abzuwarten. Denn mit etwas Glück findet der Hausarzt eine Ursache, die er behandeln kann. Auslöser können etwa Medikamente sein – die kann man ersetzen. Auch Übergewicht ist eine häufige Ursache: Reduziert man das Übergewicht nur um fünf Prozent, lassen sich allein dadurch die Symptome der überaktiven Blase erheblich mindern, wie Studien bewiesen haben. Umgekehrt können scharfe Gewürze, Koffein und vor allem Nikotin die Symptome verschärfen.

Was aber passiert überhaupt in der „überaktiven“ Blase? Normalerweise „meldet“ sich die Blase ab einem Füllungszustand von ungefähr 150 Millilitern Urin. Speichern kann sie aber 500 bis 700 Milliliter (bei Männern mehr als bei Frauen). Das heißt, nach der ersten „Meldung“ ist noch viel Zeit. Normalerweise. Hier nicht! Das kontrollierte Wasserlassen wird durch ein kompliziertes Zusammenspiel mehrerer Muskelgruppen geregelt. Geraten die ins Ungleichgewicht, wird der Drang übermäßig, die Schließmuskeln können dem Druck nicht mehr standhalten.

Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten

Um die Ursache abzuklären, sollte man – auf Anweisung des Arztes – eine Einfuhr-Ausfuhr-Bilanz schreiben, ein „Trink- und Miktionsprotokoll“. Und ein ausführliches Anamnese-Gespräch führen. Um unterschiedliche neurologische Erkrankungen oder einen nicht ausreichend behandelten Diabetes auszuschließen. Der Hausarzt hat dann mehrere Behandlungsmöglichkeiten: vom Beckenbodentraining bis zu Medikamenten, vor allem so genannte Anticholinergika.

Wenn das nichts bringt, gibt es gegen die überaktive Blasenmuskulatur Botox. Und es gibt Blasenschrittmacher. In den allermeisten Fällen reichen aber einfache Verhaltensänderungen, Abnehmen, Beckenbodentraining, vielleicht Medikamente. Das aber setzt voraus, dass man sich – trotz der vermeintlich peinlichen Situation – zum Arzt traut. Aussitzen ist keine gute Idee.