Die meisten Gemüsesorten müssen geerntet werden, bevor es kalt wird. Anders Grünkohl. Er muss Frost erlebt haben, um zu schmecken. Kale-Kenner wissen das schon lange. Vor allem die aus dem hohen Norden Deutschlands, wo Grünkohl zum Brauchtum gehört.
Die wissenschaftliche Erklärung dafür liefern nun Forscher der Jacobs University Bremen und der Carl von Ossietzky University Oldenburg im Fachjournal «Food Research International».
Frost macht Kohl süss
Für die Studie hat das Team um Chemiker Nikolai Kuhnert drei verschiedene Grünkohlarten normalen sowie kalten Temperaturen ausgesetzt. Anschliessend untersuchten sie das jeweilige Blattmaterial auf seine Inhaltsstoffe.
Dabei stellten die Forscher fest, dass das Gemüse bei kalten Temperaturen komplexe Kohlenhydrate in den Zellwänden zu kleineren Zuckermolekülen umwandelt. Diese seien allesamt süss, heisst es in einer Mitteilung. Das lasse den Kohl besser schmecken, als wenn er vor dem Frost geerntet worden wäre. Insbesondere die Zucker Fructose, Melibiose, Maltose und Raffinose wurden in erhöhten Konzentrationen gefunden.
Natürliches Frostschutzmittel
Die Pflanze lässt den von den Forschern dokumentierten Prozess aus reinem Eigennutz ablaufen. Die Zuckermoleküle stellen für den Grünkohl eine Art Frostschutzmittel dar. Mit ihrer Hilfe verhindert der Kale, dass das Wasser in seinen Zellen gefriert. Denn je mehr Zuckerteilchen darin gelöst sind, desto niedriger ist dessen Gefrierpunkt.
Ein Vorgehen, dass bei Schnee und Eis auch vom Menschen angewandt wird – beim Streuen von Salz im Winter, so die Forscher: Die grosse Anzahl von Salzteilchen setzt den Gefrierpunkt von Wasser herab, das Eis schmilzt nach dem Streuen und man rutscht nicht mehr aus.