Libyens Perle am Mittelmeer
Leptis Magna
by Anne AllmelingJahrzehntelang war die libysche Ruinenstadt Leptis Magna ein Anziehungspunkt für Touristen. Doch seit dem Sturz Gaddafis 2011 kommen kaum noch Gäste in die Weltkulturerbe-Stätte.
Marmorsäulen ragen in den blauen Himmel. Ein Bogen aus Stein gibt den Blick frei auf ein römisches Theater: halbrunde Sitzreihen, eine majestätische Bühne - dahinter das Mittelmeer.
Salsabil hat sich einen Platz im Schatten gesucht. "Das ist eine schöne Seite von Libyen. Viele Menschen kennen sie nicht", sagt sie. Die junge Mutter beobachtet ihre beiden kleinen Kinder beim Klettern. "Die Leute sehen immer nur die Nachrichten aus Libyen. Die Geschichte des Landes kennen sie nicht. Libyen ist ein schöner Ort, ein schönes Land, mit tollen Leuten - aber manchmal gibt es Gerüchte über uns oder unser Land, die nicht stimmen. Dabei gibt es in Libyen viel Gutes."
Jahrelang Touristenmagnet
Leptis Magna liegt etwa 120 Kilometer östlich von Tripolis - weitgehend verschont von den Kämpfen im Land. Früher war Leptis Magna ein Anziehungspunkt für Touristen: Die Ruinenstadt zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und gilt als größte erhaltene antike Stadt der Welt.
Doch seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar Al-Gaddafi 2011 herrscht Chaos in Libyen. "Seit mehr als neun Jahren haben wir keine Führung mehr gemacht", erzählt Fawzi. Er ist Libyer und hat in Leptis Magna als Reiseleiter gearbeitet. "Wir haben ja nur zwei Möglichkeiten: das Meer und die Wüste. Aber seit dem Beginn des Konflikts kommen keine Touristen mehr. Wir versuchen es trotzdem: Zusammen mit Freunden, die Reisebüros besitzen, machen wir Werbung. Aber wenn der Krieg nicht beendet wird, gibt es auch keinen Tourismus."
Mehr als zwei Jahrtausende Geschichte
Die Stadt wurde zu Beginn des ersten Jahrtausends vor Christus von den Phöniziern gegründet, gewann große Bedeutung für den Handel und geriet im ersten Jahrhundert vor Christus unter Römische Herrschaft.
"Wir stehen hier vor einem der Tore des neuen Forums. Der Platz wurde 'Neues Forum' genannt, um ihn vom 'Alten Forum' zu unterscheiden, das näher am Meer liegt", erzählt Fawzi. "Das 'Neue Forum' wurde zurzeit von Kaiser Septimius Severus im zweiten Jahrhundert nach Christus gebaut und ist 6000 Quadratmeter groß. Es ist nicht überdacht und umgeben von Bögen. In jedem Bogen befindet sich das Abbild einer römischen Gottheit."
Eine Weltkulturstätte für sich
Die großen Augen der Medusa in den Reliefs scheinen auf jeden Besucher herabzuschauen. Auf ein paar Stufen hat es sich Widad bequem gemacht. Er stammt aus dem etwa 120 Kilometer entfernten Bani Walid. Seine Frau und seine Tochter, sein Schwiegersohn und die kleine Enkelin haben Leptis Magna fast für sich.
"Wir wollten Leptis Magna besuchen, weil meine Kinder doch unsere Altertümer sehen sollen", sagt Widad." Sie müssen wissen, was wir für Altertümer in Libyen haben. Wir besitzen in Libyen viele davon. Wir reisen durch das Land, um sie uns anzuschauen."
Hoffen auf die Rückkehr der Touristen
Touristen aus dem Ausland gibt es in Leptis Magna kaum. Mohammed erinnert sich an die Zeit vor dem Krieg, als Zehntausende Gäste im Jahr nach Leptis Magna kamen - viele von ihnen im Rahmen einer Kreuzfahrt. Neben dem Eingang zu der antiken Stätte betreibt Mohammed ein Café. Doch der Saal ist so gut wie leer. Über den Tischen und Stühlen liegen dünne Decken, um sie vor Staub zu schützen.
"Mit dem Beginn der Kämpfe ist alles zum Erliegen gekommen", sagt er. "Ich hoffe, dass die Welt der Situation in Libyen Aufmerksamkeit schenkt. Die Situation, in der sich der libysche Staat befindet, macht es unmöglich, dass irgendein Investor hierher kommt."
Wie so viele Libyer wünscht sich Mohammed nichts sehnlicher als Frieden - und dass die Ausländer wiederkommen. Vielleicht auch als Vermittler, sagt Reiseleiter Fawzi. "Ich hoffe wirklich, dass die westliche Welt Libyen beisteht und die Kämpfe zwischen den Libyern beendet. Uns beisteht, um ein neues Kapitel aufzuschlagen und den Tourismus und die Wirtschaft anzukurbeln."
Dann könnte vielleicht auch Mohammeds Traum Wirklichkeit werden: "Wir wollen Hotels und Resorts hier in der Stadt eröffnen und einen Hafen für Touristen."
Anne Allmeling, ARD Kairo
09.12.2019 06:28 Uhr