Sollen Chinas Behörden ausländische Computertechnologie entfernen?

(Zusammenfassung, neu Reaktion von Regierungsstellen, Einordnung) - Sollen Chinas Behörden innerhalb von drei Jahren ausländische Computer und Software durch einheimische Produkte ersetzen? Diese Anweisung hat das Generalbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei nach einem Bericht der "Financial Times" vom Montag ausgegeben. Die Direktive an Regierungsbehörden und Institute sehe vor, im kommenden Jahr schon 30 Prozent der Hard- und Software durch heimische Produkte zu ersetzen. Bis 2021 sollen demnach noch einmal 50 Prozent und bis 2022 dann der Rest ausgetauscht werden.

Die bereits vor Monaten erlassene vertrauliche Direktive habe wegen des Zeitplans den Namen "3-5-2" erhalten, schrieb die Zeitung, die sich in dem Bericht auf Informationen aus dem Wertpapierhaus China Securities, von zwei chinesischen Cyber-Security-Firmen und der internationalen Denkfabrik Eurasia berief. Es sei die erste Anweisung mit klaren Zeitvorgaben, von ausländischer auf einheimische Technologie zu wechseln, hiess es weiter.

Regierungsstellen in Peking wirkten am Montag aber auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur nach einem solchen Vorhaben irritiert. Weder das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT), noch die Beschaffungsstelle der Regierung wussten von einem konkreten "3-5-2"-Plan. Auch in chinesischen Staatsmedien lässt sich nichts über ein solches Vorgehen finden.

Ein Mitarbeiter der Politikabteilung des Beschaffungsamtes bestätigte allein eine Politik, die Nutzung chinesischer Programme zu fördern: "Eine Lokalisierung, innerhalb von drei Jahren schrittweise einheimische Software einzuführen - das haben wir." Auch ein anderes Ziel wusste er: "Es scheint 30 Prozent im ersten Jahr zu sein, soweit ich es erinnere." Aber von einem Plan, ausländische Computergeräte auszuwechseln, hatte er noch nichts gehört.

Grundsätzlich gibt es in China durchaus Bemühungen, die Abhängigkeit von ausländischer Technologie zu reduzieren. Das Anliegen wird zunehmend dringlicher, seit US-Präsident Donald Trump massiv gegen Chinas Telekomriesen Huawei vorgeht. So untersagte er zeitweise amerikanischen Chipherstellern oder Google , mit dem zweitgrössten Smartphone-Hersteller und führenden Netzwerkausrüster Geschäfte zu machen - und erteilt jetzt immer nur befristet die Erlaubnis.

Die USA unterstellen dem Telekomriesen mögliche Spionage und drängen auch ihre Verbündeten, beispielsweise beim Ausbau des Telekom-Netzes auf den superschnellen 5G-Standard auf Ausrüstung von Huawei zu verzichten. Die US-Blockade von Huawei ist so etwas wie ein Nebenschauplatz des seit mehr als einem Jahr andauernden Handelskrieg zwischen den beiden grössten Volkswirtschaften. Dabei betreiben die USA eine "Entkopplung" von China. Die Bemühungen wecken Besorgnisse in Deutschland und Europa, dass es damit in den Lieferketten zunehmend unterschiedliche technische Standards geben könnte.

Ob so ein grosses Vorhaben wie der berichtete "3-5-2"-Plan überhaupt praktikabel und technologisch machbar wäre, erscheint allerdings zweifelhaft. So müssten viele Millionen Geräte ausgetauscht werden, wofür erhebliche Investitionen notwendig wären. Die Vorgabe ist laut "Financial Times" aber offenbar Teil einer breiteren Kampagne, wonach Regierungsbehörden und Betreiber kritischer Infrastruktur "sichere und kontrollierbare" Technologie benutzen sollen, wie es auch das Gesetz für Cyber-Sicherheit vorsieht.

Experten halten es auch für schwierig, alle ausländische Software durch heimische Versionen zu ersetzen, weil Betriebssysteme von Microsoft (Windows) oder Apple (macOS) in China weit verbreitet sind und auch chinesische Software darauf läuft. Zudem werden selbst Computer chinesischer Hersteller wie Lenovo mit Chips amerikanischer Hersteller oder Festplatten aus Südkorea gebaut.

Wegen des US-Gegenwinds gegen Huawei treibt der chinesische Konzern allerdings bereits ein eigenes Betriebssystem für seine Smartphones voran. Es soll Android von Google ersetzen, wenn die US-Regierung weitere Lieferungen an Huawei tatsächlich verbieten sollte. Auch hat Chinas Universität für Verteidigungstechnologie ein Kylin genanntes Betriebssystem für Computer basierend auf Linux entwickelt. Es könnte Windows ersetzen, doch laufen darauf deutlich weniger Programme. Ende der neunziger Jahre hatte China bereits versucht, mit der Linux-Variante "Red Flag" (Rote Fahne) eine umfassende Alternative zu Windows und macOS zu etablieren. Das Projekt wurde allerdings 2015 wieder zurückgefahren./lw/DP/stw

(AWP)