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Dortmunds Achraf Hakimi, Thorgan Hazard und Jadon Sancho jubeln nach dem Tor zum 2:0.
(Foto: dpa)

Kreativ in Anthrazit

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Im Nachhinein konnte man fast meinen, die gute alte Novelle "Kleider machen Leute" habe eine Neuauflage erfahren: 5:0 gegen Fortuna Düsseldorf, und worüber kam Borussia Dortmunds zweifacher Torschütze Jadon Sancho ins Schwärmen? Über die neuen Klamotten, wie es wohl nur ein 19-Jähriger tun kann: "Das ist das beste Trikot, das wir je hatten. Wir sollten jetzt immer darin spielen." Ausschließlich modisch ließ sich die Stimmungsaufhellung beim BVB zwar nicht beschreiben, aber junge Fußballer sind halt auch nur junge Leute.

Was Sancho und manche seiner Mitspieler so ins Schwärmen brachte, war ein neues Sportgewand in Anthrazit-Schwarz, also in den Farben der Steinkohle, das das Borussen-Marketing als Verkaufsgag zum bevorstehenden 110. Geburtstag des Vereins auf den Online-Markt geworfen hatte. Um daran zu erinnern, dass das heutige Dortmund nicht zuletzt auf den schmutzigen, wuchtigen Traditionen von Kohle und Stahlkochen gebaut wurde. Auch wenn es hier seit Jahrzehnten keine Zechen und Stahlwerke mehr gibt - als Kinder und Kindeskinder der Malocher und Kumpel gefallen die Dortmunder sich noch immer.

Analog zu Kunstdrucken erschien das Sondertrikot in limitierter Auflage, 9009 Stück, binnen 150 Minuten waren sie ausverkauft. Der Online-Shop des Ballspielvereins von 1909 brach zwischenzeitlich unter der Nachfrage zusammen.

Der zuletzt lange verschmähte Dan-Axel Zagadou überzeugt

Ob Sanchos Wunsch nach mehr Chic in den nächsten Spielen Gehör findet, ist noch nicht entschieden. Für den schwachen Abstiegskandidaten aus Düsseldorf hätten es traditionelle Trikots in Sonnengelb vermutlich auch getan. Dennoch lag die Erleichterung, dem 2:1-Arbeitssieg in Berlin am letzten Wochenende nun eine auch spielerisch anspruchsvolle Vorstellung draufgesetzt zu haben, in der Luft. Julian Brandt jubelte nicht nur über seine eigene Leistung: "Man hat heute gesehen, welche Qualität in dieser Mannschaft steckt." Brandt wollte und durfte sich da mit einschließen. Auf seiner Lieblingsposition, einem Zwitter aus einem offensiven "Sechser" und einem variablen "Achter", die er schon gegen die Hertha endlich hatte spielen dürfen, funkelte Brandt geradezu.

Neben den Kohletrikots war, ähnlich wie schon in Berlin, eine taktische Umstellung wohl der wahre Grund für das neue Wohlbefinden. BVB-Trainer Lucien Favre soll mit Engelszungen überzeugt (um nicht zu sagen: bearbeitet) worden sein, endlich mehr Gedankenfreiheit ins Mittelfeld zu geben. Eigentlich gilt es als Favres Credo, mit vier Verteidigern und zwei eher defensiven Sechsern zu spielen. Doch diese Verknöcherung löste der BVB erstmals in Berlin. Auf seiner Trainerbank selbst in die Defensive getrieben, munkelt man, habe Favre seine Defensiv-Denke bei der Spieltaktik gelockert. Rückfall allerdings wohl nicht ausgeschlossen.

Gegen die von Trainer Friedhelm Funkel selbst allzu sehr auf Verbarrikadierung getrimmten Fortunen (Fünferkette plus Dreierkette) konnte Dortmund jedenfalls die ganze Spielwut ihrer Offensivgeister ausspielen. Fast alle Konterversuche erstickte Dortmund mit dem nun deutlich höheren Pressing, und nicht zuletzt durch den lange verschmähten Dan-Axel Zagadou, 20, als Abräumer.