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Als Zeichen der Muslimbrüder hat sich der Vier-Finger- Gruß etabliert

Quelle: AFP/GETTY IMAGES

Die Muslimbrüder geraten in die Defensive

Auf Druck des NRW-Verfassungsschutzes verliert das Islamistennetzwerk zunehmend an Rückhalt. Selbst bisherige Unterstützer wie Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime gehen auf Distanz – vorläufig.

Seit 20 Jahren wird dem Zentralrat der Muslime (ZMD) vorgeworfen, er dulde Islamisten in seinen Reihen. Doch erst jetzt wird der Zentralrat aktiv. Vor einer Woche entschied dieser auf der Vollversammlung, die laut Verfassungsschutz islamistische „Deutsche Muslimische Gemeinschaft“ (DMG) müsse ihre Mitgliedschaft im Zentralrat ruhen lassen. Die DMG mit Sitz in Köln soll dem weltweiten Netzwerk der undemokratischen, antisemitischen und menschenrechtsfeindlichen Muslimbruderschaft nahestehen. Zwar „ruht“ die DMG-Mitgliedschaft offiziell nur. Und dies auch nur, bis über den Vorwurf der Muslimbrüder-Nähe gerichtlich entschieden ist. Zu diesem Zweck hat die DMG eine Klage eingereicht. Aber immerhin: 20 Jahre reagierte der Moscheenverband ZMD fast gar nicht auf den Vorwurf, Muslimbrüder zu beherbergen. Was hat den plötzlichen Gesinnungswandel verursacht?

Der Druck auf den ZMD hat in den vergangenen Monaten massiv zugenommen. Dabei hat vor allem der NRW-Verfassungsschutz eine Rolle gespielt. Dessen Leiter Burkhard Freier begann, wie man in ZMD-Kreisen glaubt, eine regelrechte Medienoffensive gegen die DMG. Tatsächlich warnte Freier in mehreren Interviews, der Islamismus der Muslimbrüder, die sich in der DMG organisierten, sei langfristig noch gefährlicher als der Terror gewaltbejahender Jihadisten. Selten vergaß Freier dabei den Hinweis, die DMG sei „eine der wichtigsten und einflussreichsten Mitgliedsorganisationen des Zentralrats“. Auch andere Forscher und die Bundeszentrale für politische Bildung gingen mit warnenden Beschreibungen der hiesigen Muslimbrüder an die Öffentlichkeit. In verschiedenen Landtagen wurde daraufhin debattiert, ob man mit dem ZMD zusammenarbeiten dürfe, solange der die DMG dulde.

Und plötzlich begannen Landesregierungen wie in NRW, sich der Kooperation mit dem Zentralrat zu schämen. Als etwa das NRW-Integrationsministerium im Juli bekannt gab, es fördere ein Projekt gegen Antisemitismus, das der ZMD initiiert hatte, löste dies massive Kritik aus, weil das ZMD-Mitglied DMG als antisemitisch gilt. Schließlich strich das Ministerium aus seiner Online-Pressemitteilung den Hinweis, dass es den ZMD bei dem Projekt unterstütze. Zudem drohten dem ZMD materielle Nachteile wegen seiner radikalen Mitglieder. Die Finanzierung von ZMD-Projekten durch die öffentliche Hand stand offenbar auf dem Spiel.

Verfassungsschutz hat Zweifel

Im Juni beschwichtigte ZMD-Chef Aiman Mazyek zwar noch, die den Muslimbrüdern nahestehenden ZMD-Moscheen hätten sich mittlerweile von deren Einfluss emanzipiert. Doch kurz darauf gab der Verfassungsschutz bekannt, davon sei nichts zu erkennen. Derweil appellierte die DMG direkt an Freier, in einen Dialog mit ihr einzutreten. Zugleich versuchte sie aber, Freier unter Druck zu setzen. Sie warf ihm indirekt vor, mit seinen Warnungen „rechtspopulistische Narrative“ und „die Salonfähigkeit antimuslimischer Gesinnungen“ zu fördern. Doch der Druck ließ nicht nach. Und die DMG fand immer weniger Rückendeckung.

In den vergangenen Wochen verkündete Mazyek schließlich, die Ideologie der Muslimbrüder werde im ZMD „keine Heimat finden“. Vor einer Woche setzte er durch, dass die DMG-Mitgliedschaft im Zentralrat ruht, bis über deren Nähe zu den Muslimbrüdern gerichtlich entschieden ist. Die Idee einer gerichtlichen Klärung halten manche Beobachter indes für einen „Schuss ins Knie“, wie Eren Güvercin von der akademisch-muslimischen Alhambra-Gesellschaft sagt. „Sollte die DMG gerichtlich bestätigt bekommen, dass sie den Muslimbrüdern nahesteht, wäre das für sie der Super-GAU“, so Güvercin. Statt zu prozessieren, sollten DMG und ZMD sich lieber „wirklich inhaltlich mit dieser Ideologie auseinandersetzen“.


Islamkonferenz in Kölner Moschee sorgt für Ärger

Eine Islamkonferenz in der Kölner Moschee verärgert den SPD-Bezirksbürgermeister von Köln-Ehrenfeld. Wenn von 100 Teilnehmern zwei einer „konservativ-reaktionären Richtung“ des Islams angehörten, seien das „schon zwei zu viel“, so Josef Wirges.

Quelle: WELT/ Kevin Knauer