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Das SPD-Logo auf dem Parteitag | Bildquelle: HAYOUNG JEON/EPA-EFE/REX

Auf Bewährung

Die SPD und die GroKo

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Sie wollen sich nicht trennen, nur reden: Die Große Koalition hat den SPD-Parteitag tatsächlich überstanden. Doch weder das neue SPD-Duo noch die CDU-Chefin haben viel Spielraum.

CSU, CDU und jetzt auch die SPD haben ihre Parteitage hinter sich - vor ihnen liegen noch zwei Jahre gemeinsames Regieren. Sofern keiner vorher kündigt. Vor allem die Sozialdemokraten haben bislang viel dafür getan, als Wackelkandidaten zu gelten.

Als die Parteibasis rund um die symbolisch aufgeladene Halbzeitbilanz auch noch zwei relativ unbekannte GroKo-Skeptiker zum neuen Führungsduo auserkor, schien das vorzeitige GroKo-Aus besiegelt. Showdown auf dem Parteitag, die Jusos reimten schon fröhlich "Nikolaus ist GroKo-Aus", in der CDU war plötzlich wieder von der Option Minderheitsregierung die Rede.

Es kam anders.

Die SPD hat es geschafft, sich zusammenzuraufen und einigermaßen geschlossen hinter dem neuen Führungsduo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu stehen.

Die Woche sei besser verlaufen als befürchtet, sagte ein erleichterter SPD-Ministerpräsident am Wochenende hinter vorgehaltener Hand. Die Große Koalition hat den Parteitag tatsächlich überstanden.

Die SPD und die GroKo
Morgenmagazin, 09.12.2019, Anja Köhler, ARD Berlin

Lightantrag statt Leitantrag

Die Gräben bei der SPD sind notdürftig zugeschüttet oder der Frieden teuer erkauft, wie im Fall der fünf statt drei Vize-Posten. Aus dem Leitantrag zur GroKo wurde ein Lightantrag: Von Bedingungen für einen Fortbestand der Großen Koalition ist keine Rede mehr. Gespräche mit der Union soll das neue Führungsduo führen, über Projekte, die die SPD noch auf dem Wunschzettel hat, die aber nicht im Koalitionsvertrag stehen - mehr Mindestlohn, mehr Klimaschutz, mehr Investitionen. Keine roten Linien, keine Ultimaten.

Mehr SPD pur

Auch wenn ein klares Bekenntnis zur Koalition bis zu ihrem regulären Ende 2021 fehlt, so deutet der Verlauf des Parteitags doch darauf hin, dass man weitermachen will - so verwiesen die Minister von Hubertus Heil bis Franziska Giffey auf die noch anstehenden SPD-Vorhaben im Koalitionsvertrag. Dazu gehört auch das Herzensprojekt Grundrente, das zwar beschlossen, aber noch nicht umgesetzt ist, wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erinnerte.

Zugleich muss die neue Parteiführung aber den Eindruck vermeiden, vom Regierungslager um Olaf Scholz eingehegt worden zu sein. Vermeiden muss sie auch den Eindruck, die Fortsetzung der GroKo sei nun ein Selbstläufer - schon aus Gründen der eigenen Glaubwürdigkeit. Esken und Walter-Borjans haben bei ihren Anhängern hohe Erwartungen geweckt. Sie stehen für die Sehnsucht nach Veränderung: Mehr SPD pur und weniger braver Juniorpartner der Union - an diesen Versprechen werden sie ab sofort gemessen. Das Duo will die SPD wieder erkennbarer machen, eigenständiger, konfrontativer. Die Beschlüsse beim Parteitag sind ein erster Schritt wieder zu einem Profil links von der politischen Mitte.

Kramp-Karrenbauer hat wenig Spielraum

Auf der anderen Seite hat CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer wenig Spielraum, dem Koalitionspartner weiter entgegenzukommen. Zwar hat sie die Machtfrage auf dem Parteitag Ende November vorerst für sich entschieden, doch allein um in der parteiinternen K-Frage im Rennen zu bleiben, dürfte ihre Lust auf Zugeständnisse begrenzt sein. Schon jetzt murrt der konservative Wirtschaftsflügel über "die sehr sozialdemokratische" Koalition.

Beide Parteiführungen gehen daher unter Druck in die Gespräche. Und doch könnte etwas dabei herauskommen. Beim umstrittenen Klimapaket etwa. Hier wird sowieso im Bundesrat nachverhandelt, warum also nicht auch beim von vielen Seiten als zu niedrig kritisierten CO2-Preis nachsteuern? In der CDU mehren sich Stimmen, die genau das wollen.

Maximalforderungen für das Wahlprogramm

Bei anderen Themen dürfte die SPD hingegen auf Granit beißen. Vor allem das Ende der Schwarzen Null und die Abschaffung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sind mit der Union nicht zu machen. So wie natürlich auch die CDU bei ihrem Parteitag Beschlüsse gefasst hat, die mit der SPD nur schwer zu machen sein dürften, etwa der vollständige Soli-Abbau, eine Unternehmenssteuerreform oder die Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Im Herbst 2020 beginnt der Bundestagswahlkampf. Das ist die richtige Zeit für Maximalforderungen. Für Union pur, für SPD pur. Für unterscheidbare Konzepte und Wahlprogramme. Rund ein Jahr bleibt den Partnern also noch, um die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag abzuarbeiten - "Politik für die Menschen" zu machen, wie sie gerne betonen.

Die SPD dürfe nicht länger als "Taktikpartei" wahrgenommen werden, gab die scheidende Übergangsvorsitzende Malu Dreyer dem neuen Führungsduo auf den Weg. Das kann auch als Plädoyer für ein Ende der ewigen GroKo-Grundsatzdebatten interpretiert werden.