https://cdn1.spiegel.de/images/image-1496896-860_poster_16x9-gqjv-1496896.jpg
Serverraum in einem chinesischen Datencenter: alles raus, was nicht chinesisch ist

Wie China alles Ausländische aus Millionen Computern bekommen will

China stellt angeblich seine Computer um: Binnen drei Jahren sollen alle Behörden ausschließlich mit chinesischen Geräten und Programmen arbeiten - eine irrwitzige Vorgabe. Was dafür nötig wäre.

by

3-5-2 heißt der Plan angeblich intern: Im ersten Jahr, also 2020, sollen alle chinesischen Behörden 30 Prozent ihrer Computerausstattung so umbauen, dass nur noch Hardware und Software aus China verwendet werden. Im zweiten Jahr sollen es weitere 50 Prozent der technischen Geräte sein, im dritten die restlichen 20 Prozent. So will es nach Angaben der "Financial Times" das Generalbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. "Ambitioniert" nennt die Zeitung das - es dürfte die Untertreibung des Jahres sein.

Zur Einordnung: Berlin versucht seit zweieinhalb Jahren, seine rund 80.000 Behördencomputer auf Windows 10 umzustellen. Ein Drittel läuft nach Angaben der "Zeit" aber immer noch auf Windows 7, für das es ab dem 14. Januar 2020 keinen kostenlosen Support von Microsoft mehr geben wird. Und die Hälfte der Windows-10-Rechner, so berichtet es der "Tagesspiegel", hat ein veraltetes Upgrade erhalten, braucht also noch ein weiteres. Und hier geht es nur um das Betriebssystem.

Die chinesischen Behörden hingegen müssten nach Einschätzung von Analysten der Investmentbank China Securities 20 bis 30 Millionen Computer nicht nur auf ein chinesisches Betriebssystem wie Kylin OS oder Red Flag Linux umrüsten.

Sie bräuchten zum Beispiel auch:

Es müsste also ein ganzes Ökosystem rund um exotische Betriebssysteme entstehen, für die bisher kaum jemand Anwendungen entwickelt. Aber damit endet es noch lange nicht. Die neuen Programme müssten rückwärtskompatibel sein, weil sich bisherige Dokumente sonst nicht mehr öffnen ließen. Die Alternative wäre die vollständige Migration der Archive ins neue System, für die es ebenfalls passende Software bräuchte.

Weil aber private chinesische Unternehmen und Nutzer nach derzeitigem Stand nicht gezwungen werden, ihre Hardware und Software zu tauschen, müssten die Behördenprogramme entweder Dateien ausgeben, die externe Empfänger mit ihrer nicht chinesischen Software öffnen können, oder aber alle externen Empfänger bräuchten Hilfsprogramme, um mit den neuen Behördenformaten umzugehen.

Mammutaufgaben für Lenovo und Huawei

Es gibt auch einige gänzlich unbekannte Größen in dem Szenario: Laut "FT" nutzen viele Behörden bereits chinesische Lenovo-Computer, was die Ausgangslage auf der Hardwareseite vereinfachen würde. Ob der Hersteller die Kapazitäten hat, die Millionen fehlenden Rechner in den kommenden drei Jahren zu produzieren und nebenbei sein internationales Geschäft weiter zu betreiben, ist von außen schwer abzusehen. Im vergangenen Jahr hat Lenovo rund 58 Millionen PCs produziert.

Die Frage ist auch, wie weit die Definition von Hardware geht. Auch Lenovo-PCs nutzen nämlich Chips des US-Herstellers Intel. Dürften auch die nicht mehr genutzt werden, bräuchte Lenovo neue Bezugsquellen, neue Layouts für seine Rechner und eine neue oder zweite Produktionsschiene, weil der internationale Markt weiter bedient werden muss. Hinzu kommt: Die Motherboards der bereits in Behörden genutzten Lenovo-Rechner auszutauschen, wäre schon für sich genommen ein gigantischer Kraftakt.

Immerhin: Huawei hat vor wenigen Tagen Details über ein erstes eigenes PC-Motherboard vorgestellt. Der Konzern könnte, ja, müsste eine führende Rolle beim großen Umbau spielen. Wenn der so wirklich verordnet wurde.

Laut "FT" ist die Anweisung des Generalbüros geheim. Die Quellen der Zeitung sind neben China Securities vor allem Mitarbeiter zweier IT-Sicherheitsunternehmen, die wiederum chinesische Behörden als Kunden haben und die Existenz der Anweisung bestätigten. Zudem gab es bereits im Mai einen Bericht, laut dem Chinas Militär angewiesen wurde, das Windows-Betriebssystem aufzugeben und stattdessen ein noch zu entwickelndes chinesisches System zu verwenden.

Aber weder das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) in Peking, noch die Beschaffungsstelle der Regierung wussten nach Anfragen der Deutschen Presse-Agentur von einem konkreten "3-5-2"-Plan. Ein Mitarbeiter der Politikabteilung des Beschaffungsamtes bestätigte demnach lediglich eine Politik, die Nutzung chinesischer Programme zu fördern: "Eine Lokalisierung, innerhalb von drei Jahren schrittweise einheimische Software einzuführen - das haben wir." Auch eine der genannten Zahlen kannte er demnach: die 30 Prozent im ersten Jahr. Aber von einem Plan, ausländische Computergeräte auszuwechseln, hatte er noch nichts gehört.

Die "FT" nennt als Motiv den eskalierenden Handelskrieg Chinas mit den USA. Das Beunruhigende an dieser Interpretation: Ob US-Präsident Donald Trump in drei Jahren überhaupt noch im Amt ist, ist offen. Seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger würde möglicherweise eine ganz andere Chinapolitik betreiben und den gegenseitigen Handel wieder stärken wollen. Aber die Chinesen scheinen sich darauf einzustellen, dass Handelskonflikte die neue Normalität werden.