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Florian HallerFoto: Serviceplan

MEEDIA-Jahrbuch 2019: “Sitzen Sie mit den Medien in einem Boot, was die digitale Disruption betrifft, Herr Haller?”

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Serviceplan gilt als die größte inhabergeführte Werbeagentur Europas. Im kommenden Jahr feiert die Gruppe ihr 50. Jubiläum. Für das MEEDIA-Jahrbuch 2019 führten wir ein langes Gespräch mit Agenturchef Florian Haller, der die Führung 2002 von seinem Vater Peter Haller übernommen hat. In dieser gekürzten Fassung geht es um das Jubiläum, Disruption und ein berühmtes Zitat.

Herr Haller, Wie oft haben Sie eigentlich schon Kauf-Angebote abgelehnt?

Florian Haller: Gerade durch unsere Stärke im deutschen Markt wären wir sicherlich für viele internationale Player eine gute Ergänzung. Allerdings haben wir kein Interesse daran, übernommen zu werden. Unsere Unabhängigkeit ist einer der Grundpfeiler der Agenturgruppe und prägt maßgeblich unsere Philosophie und Firmenkultur. Die Unabhängigkeit ermöglicht es uns im Sinne der Kunden zu handeln und uns jederzeit agil am Markt auszurichten. Diese Flexibilität möchten wir nicht aufgeben.  

Schnell und agil zu sein, würden die Network-Agenturen vermutlich auch für sich in Anspruch nehmen …

Wir sind sicherlich schneller und agiler als die großen Networks, das hängt ganz einfach mit der Größe zusammen. Ein Network wie beispielweise WPP neu auszurichten ist eine langwierige und sehr komplexe Aufgabe. Der ehemalige CEO Martin Sorrell hatte ja selbst vor einiger Zeit angemerkt, dass sein Haus einen dramatischen Veränderungsbedarf hat; das bekommt man aber nicht so schnell hin. Wir sind eine Agenturgruppe mit viereinhalbtausend Leuten, da kann man natürlich schneller agieren, als in einem Network mit über 100.000 Mitarbeitern. Das würden die Kollegen sicherlich nicht abstreiten.

Was zeichnet eine inhabergeführte Agentur darüber hinaus aus?

Eine inhabergeführte Agentur hat auch ein anderes KPI-System (Key-Performance-Indicator, Anm.d.Red.) vor Augen als große Networks. Natürlich sind wir alle – egal ob unabhängig oder Network – wirtschaftlichen Zwängen und Herausforderungen ausgesetzt, aber der Druck ist doch ein anderer. Publicis hat zum Beispiel von heute auf morgen an der Börse zweistellig an Wert verloren, weil ein Umsatzrückgang von zwei Prozent verkündet werden musste. Mit dem Aktienkurs stets vor Augen steht man natürlich unter einem ganz anderen und sehr kurzfristigen Druck. Und ich behaupte auch, dass in unserem partnergeführten Agenturmodell die Menschen mehr im Mittelpunkt stehen und einen deutlich größeren Handlungsspielraum und Gestaltungsmöglichkeiten haben. 

Serviceplan wird kommendes Jahr 50 Jahre alt, sie selbst sind seit 2002 alleine am Steuer, waren davor aber schon lange Zeit neben ihrem Vater, Peter Haller, im Geschäft. Wie hat sich die Agenturbranche gewandelt, seit Sie dabei sind?

Ich stehe nicht alleine an der Spitze, sondern ich mache das mit meinen Partnern zusammen als Team, das ist mir ganz wichtig zu betonen. Die Agenturbranche hat sich natürlich dramatisch verändert in den vergangenen Jahren. Bedingt wird dies durch die einschneidenden technologischen Veränderungen und die Umwälzungen in der Medienwelt. Ein Thema ist die immer weiter fortschreitende Fragmentierung in die unterschiedlichsten Kanäle. Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir vier, fünf große Kanäle und damit konnten wir im wesentlichen alle Zielgruppen erreichen. Heute gibt es dutzende von Kanälen und Unter-Kanälen auf unterschiedlichsten Plattformen, mit denen man die Menschen erreichen muss. Das macht die Aufgaben von jemandem, der Kommunikation betreibt, natürlich um einiges komplexer. Früher haben wir über statistische Verfahren und Forschung versucht, Menschen möglichst zielgenau zu erreichen. Heute haben wir durch die Verfügbarkeit umfangreicher Profildaten einen ganz anderen Zugang. Und jetzt sind plötzlich auch Rückkanäle da, das Kommunikationssystem ist nicht mehr nur einseitig. Es ist ein dialogisches System geworden. Also: Fragmentierung, Komplexität, Daten-Orientiertheit und Interaktion. Das sind die vier großen Veränderungen innerhalb unserer Branche.

Es gibt dieses berühmte Henry-Ford-Zitat, von der Hälfte des Werbebudgets, das aus dem Fenster geworfen ist, man wisse nur nicht, welche Hälfte. Das gilt heute wohl nicht mehr. In Zeiten von Big Data wissen Unternehmen, welche Hälfte zum Fenster rausgeworfen wäre und können so ihre Budgets deutlich effektiver einsetzen. Wie spüren Sie das?

Die gute, alte Zeit, in der ein Werbebudget einfach mal so in den Markt gekippt wurde und Agenturen im Schnitt 15 Prozent davon abbekamen, die ist tatsächlich vorbei. Diese Zeit habe ich schon verpasst, aber ich weiß gar nicht, ob das jetzt ein Vor- oder ein Nachteil ist. Tatsächlich stehen Effizienzgedanken bei unseren Kunden heute ganz weit im Vordergrund. Der ROI (Return on Investment, Anm.d.Red.) ist immens wichtig und natürlich werden Budgets auch reduziert und schlanker gemacht. Für uns als Gruppe, die sich diesen Herausforderungen stellt, bietet das aber auch immer wieder neue Möglichkeiten. Wir haben zum Beispiel eine eigene Business-Intelligence-Unit aufgebaut. Das ist ein eigenes Geschäftsfeld geworden, mit dem wir unsere Kunden beraten, wie sie ihre Investitionen effizienter ausgeben können. Das ist auch ein Door-Opener für viele mediale Budgets. Die sind vielleicht kleiner geworden als in der Vergangenheit, kommen aber trotzdem zu uns, weil wir eben diese strategische Kompetenz mitbringen. Verlieren werden die, die diese neue Welt als Bedrohung sehen und die neuen Realitäten nicht als Möglichkeiten, als Potenzial verstehen.

Das könnte man eins zu eins auf die Medienbranche übertragen. Sehen Sie sich mit den Medien in einem Boot, was die digitale Disruption betrifft?

Als Kind habe ich gerne eine Fernsehserie gesehen, in der es um den Kapitän eines Segelschiffs ging, der Fracht über die sieben Weltmeer transportierte. Die Serie endete ganz traurig, weil irgendwann diese neuen Containerschiffe aufkamen, die waren zwar effizient aber eben auch ziemlich hässlich und der alte Kapitän wollte sich darauf nicht einlassen. Ein bisschen so kommt mir das heute manchmal vor. Die Dinge ändern sich eben und es entstehen neue Potenziale. Das gilt für die Medien ebenso wie für die Agenturen. Diese Transformation ist in der Praxis natürlich alles andere als leicht zu bewältigen. Das Neue ist meistens zunächst einmal unwirtschaftlicher als das Alte und kommt zunächst auch noch unattraktiver daher. Warum also in das Neue investieren, das weniger Geld bringt als das alte schöne und vertraute Modell, das noch so gut funktioniert? Letztlich ist das aber alternativlos und am Ende des Tages gilt: Wenn man diese Zukunft umarmt, ist man auf der Gewinner-Seite. Wenn man sie als etwas sieht, das man bekämpfen muss, dann ist das ein bisschen so, als würde man sich einem Tornado in den Weg stellen.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Gesprächs mit Florian Haller aus dem MEEDIA-Jahrbuch 2019, das am 13. Dezember erscheint. Wenn Sie wissen möchten, was Florian Haller zum Wandel in der Kommunikationsbranche, zur Internationalisierung seiner Gruppe, zu Markenführung und zu seinem Verhältnis zu den großen US-Plattformen zu sagen hat, sichern Sie sich jetzt hier Ihr Exemplar. Das MEEDIA-Jahrbuch 2019 enthält noch viele weitere spannende Interviews, Analysen, Gastbeiträge, Statistiken und natürlich eine umfassende Chronik.