"Collinas Erben" stutzen

Darum sorgt Martinez' klares Foul für Streit

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Ein spielentscheidender Elfmeterpfiff in Gladbach gegen den FC Bayern samt Platzverweis wird von den Münchnern klaglos akzeptiert, während es abseits des Platzes ausufernde Debatten darüber gibt. Derweil kursiert während des Spiels in Berlin das Gerücht, die Torlinientechnologie sei ausgefallen.

Javi Martínez ahnte schon, was kommen würde. Der bereits mit einer Gelben Karte belastete Innenverteidiger des Rekordmeisters war in der 90. Minute der Partie zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München (2:1) im eigenen Strafraum bei einem Konter der Hausherren in höchster Not mit seinem Körper vor die Beine des ballführenden Marcus Thuram gerauscht und der Gladbacher daraufhin zu Fall gekommen. Schon bevor Schiedsrichter Marco Fritz pfiff und auf Elfmeter entschied, vergrub Martínez sein Gesicht im Rasen. Und als der Unparteiische dem Münchner schließlich die Gelb-Rote Karte zeigte, hatte dieser sich bereits aufgemacht, um den Rasen zu verlassen. Ramy Bensebaini verwandelte den Strafstoß zum 2:1-Siegtreffer für die Borussia.

Nicht nur Martínez selbst akzeptierte die Entscheidung des Referees voll und ganz, auch seine Mitspieler taten es. Von einem "dummen Foul" sprach Torwart Manuel Neuer, und Joshua Kimmich sagte, er habe "selten einen klareren Elfmeter gesehen". Beide hatten die Grätsche aus nächster Nähe beobachtet. Kein Bayern-Akteur stellte den spielentscheidenden Pfiff von Fritz ernsthaft in Frage. In den sozialen Netzwerken und manchen Diskussionsforen dagegen entspann sich eine rege Debatte. Martínez habe zuerst den Ball gespielt, außerdem sei Thuram bereits eingeknickt, bevor er getroffen wurde, argumentierten durchaus nicht nur Bayernfans.

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Martínez und Thuram beim Annäherungsversuch.(Foto: imago images/Jan Huebner)

Es sind Szenen wie diese, die deutlich machen, wie sehr das Sezieren von Spielvorgängen anhand von Superzeitlupen bisweilen die Wirklichkeit verzerren kann. Denn verlangsamte Wiederholungen lassen Handlungen durch die zeitliche Streckung oft klarer und bewusster aussehen, als sie es in der realen Geschwindigkeit waren. Zudem können sie die Dynamik einer Aktion je nachdem dramatischer wirken lassen oder deutlich abschwächen. Das ist auch der Grund, warum die Video-Assistenten die Zeitlupen vorranging nutzen sollen, um festzustellen, ob es überhaupt zu einem Kontakt gekommen ist, und ansonsten gehalten sind, sich eine zu überprüfende Szene im Originaltempo anzusehen.

Thurams Sturz war unvermeidlich und keine "Schwalbe"

Dass Martínez den Ball berührt hat, lässt sich mit den vorhandenen Bildern weder nachweisen noch zweifelsfrei ausschließen. Doch selbst wenn es eine solche Berührung gegeben haben sollte, war sie so hauchzart, dass sie das Tackling nicht regelkonform werden lässt. Wer mit vollem Risiko, in hohem Tempo und mit beiden Beinen in einen Zweikampf grätscht, muss den Ball schon deutlich zuerst treffen und klar erkennbar spielen, um keinen Freistoß oder Elfmeter zu verursachen. Dass Thuram bereits einen Wimpernschlag vor dem Kontakt leicht in die Knie ging, macht seinen Sturz wiederum nicht automatisch zur "Schwalbe". Zumal er nicht mehr hätte hochspringen können und man ihm zugestehen sollte, sich nicht verletzen lassen zu wollen.

Hier handelte es sich also um ein strafbares Beinstellen von Martínez, das ursächlich dafür war, dass Thuram zu Boden ging. Auch die Verwarnung, die in der Summe eine Gelb-Rote Karte bedeutete, ging aufgrund der Dynamik des Tacklings und des hohen Tempos in Ordnung. Und so war in den Diskussionen, die einige Spieler der Bayern nach dem Schlusspfiff mit dem Referee führten, auch nicht der Strafstoß das Thema. Vielmehr waren die Spieler des Deutschen Meisters der Ansicht, dass Fritz zu wenig Nachspielzeit gewährt hatte. Aber diese Debatten waren rasch wieder beendet.

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