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Die Presse (Clemens Fabry)

Warum wir PISA vielleicht nicht so ernst nehmen sollten

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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Christoph Kuzmics über Bildung.

Ökonomen und Ökonominnen versuchen menschliches Verhalten dadurch zu verstehen, in dem sie versuchen sich in die Lage dieser Menschen hineinzuversetzen und dann zu überlegen was diese Menschen wohl für Ziele haben. ÖkonomInnen sprechen dabei allgemein von Anreizen, die finanzieller aber auch anderer Art sein können.

In einem kürzlich erschienen Artikel im American Economic Review: Insights sind die AutorInnen Gneezy, List, Livingston, Qin, Sadoff, und Xu der Frage nachgegangen, welche Anreize wohl die Kinder haben, die an der PISA Studie beteiligt waren. Wie gut ein Kind in der Studie abschneidet, hat ja für das Kind selbst keine Konsequenzen. Man bekommt dadurch keine bessere Note, man bekommt dadurch keine bessere Chance auf einen besseren Job, es bringt ja eigentlich nicht viel. Wenn man nun davon ausgeht, dass so einen Test gut zu absolvieren auch ein bisschen anstrengend ist, dann kann man sich schon fragen, wie sehr sich die Kinder da überhaupt anstrengen.

Die AutorInnen dieses Artikels haben folgendes Experiment gemacht. Sie haben zwei Gruppen von Kindern Mathetests gegeben, einer Gruppe in Shanghai und einer in den USA. Sie haben diese Gruppen jeweils in zwei zufällig gewählte Teilgruppen aufgeteilt. Eine Teilgruppe, die Kontrollgruppe, bekam jeweils den Mathetest einfach so (also wie bei der PISA Studie zum Beispiel) und die andere bekam den Test mit finanziellen Anreizen: ihnen wurde zu Beginn des Tests gesagt und versprochen (das wurde dann auch gemacht), dass Sie für Ihr Testresultat bezahlt werden, und zwar je besser der Test umso mehr bekommen sie.

Interessanterweise ergab sich nun, dass die Kinder in Shanghai sich in beiden Gruppen gleich anstrengten und die Testergebnisse mit oder ohne finanzielle Anreize im Schnitt gleich waren. Die AutorInnen interpretieren dies so, dass die Kinder in Shanghai auch ohne finanzielle Anreize versuchen so gut wie möglich zu antworten. Mit den Kindern in den USA war das aber nicht so. Die Kinder mit finanziellen Anreizen haben sich um einiges mehr angestrengt und um einiges besser im Test abgeschnitten. Der Effekt war so groß, dass wenn man das auf die PISA Studie umlegen würde die USA vom 36ten auf den 19ten Platz im 2012 PISA Ranking gesprungen wäre.

Wir wissen jetzt natürlich nicht genau, wie die Testergebnisse in anderen Ländern (wie zum Beispiel in Österreich) gewesen wären, wenn man den Kindern finanzielle Anreize gegeben hätte, aber man sollte vielleicht aus der anreizschwachen PISA Studie keine voreiligen Schlüsse ziehen.

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Christoph Kuzmics Bereitgestellt