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Patrick Bennett In einsamen Buchten zu ankern, ist eines der Highlight des Segelurlaubes

Yacht-Charterurlaub voll im Trend: Freiheit unter Segeln: „Die Reise ist das Ziel“

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Immer mehr Urlauber buchen eine Segelyacht und genießen mit der Familie oder Freunden die Freiheit auf dem Meer – auch ohne Segelschein. Und das entgegen aller Vorurteile zu bezahlbaren Preisen.

Der Himmel ist so blau wie das Meer. Der Wind füllt die Segel, treibt flüsternd die Yacht gen Horizont. Langsam und anmutig gleitet sie dahin, sanft und spielerisch teilt der Bug die kleinen Wellen. Wieder ein Tag auf dem Wasser, der die Seele streichelt. Ein neuer Tag, zum Träumen schön. Wie eine Eingebung habe ich die Melodie von Christopher Cross' „Sailing“ im Kopf. Achtziger Jahre, verdammt lang her. Aber die Lyrics funktionieren nach wie vor: „Sailing, takes me away / To where I've always heard it / Just a dream and the wind to carry me / Soon I will be free“

So schön, so kitschig – und so wahr: „Segeln trägt mich fort / Dorthin, wovon ich immer gehört habe / Nur ein Traum und der Wind tragen mich / Bald werde ich frei sein“ 

Wer nicht segeln kann, bucht einen Skipper

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Uli Eder Weltbesegler im Chartergeschäft: Jim van Leeuwen

Warum habe ich nur so lange gewartet bis zu meinem ersten Segeltörn? Während ich meinen Gedanken nachhänge, zieht an Steuerbord in Zeitlupe die griechische Küste des Saronischen Meeres vorbei. Segeln ist die Langsamkeit des Seins, denke ich. Oder die Wiederentdeckung längst verschütteter Sinne. Das Rauschen des Windes, der Geruch des Meeres, der Blick auf die Schönheiten der Natur. Lange her, so bewusst genossen zu haben. Ein herrliches Déjà-vu mit dem eigenen Ich. Hätte ich gerne öfter.

Nur: Wie erfüllt sich eine Landratte, die gerade noch Bug und Heck unterscheiden kann, aber den letzten Seemannsknoten vor gefühlt hundert Jahren bei den Pfadfindern gelernt hat, einen solchen Urlaubstraum? Jim van Leeuwen, 45, Vertriebsleiter Europa von „Sunsail“, lächelt milde. Er hat diese Frage schon oft gehört, antwortet mit einer Gegenfrage: „Was machen Menschen, die nicht Skifahren können? Sie nehmen sich einen Skilehrer. Und wer Urlaub auf einer Segelyacht machen möchte, aber nicht segeln kann, bucht sich einen Skipper“. Was das ist? Schau nach bei Wikipedia. Dort steht: „Als Skipper bezeichnet man den verantwortlichen Boots- bzw. Schiffsführer in der Freizeitschifffahrt .... Der Skipper trägt die zivil- und strafrechtliche Verantwortung für die Sicherheit von Schiff und Besatzung...“. Der Urlaubs-Skipper tut noch ein bisschen mehr für seine zahlende Crew. Jim sagt: „Er ist nicht nur Chauffeur, sondern auch persönlicher Reiseführer. Er kennt die schönsten Buchten, die besten Restaurants und die Zeiten, in denen man bei Sehenswürdigkeiten nicht in der Warteschlange steht“.

Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Wem einmal beim Segelurlaub der Wind um die Ohren wehte, den zieht es wieder auf die schwankenden Planken. Jim van Leeuwen beziffert die Anzahl der vom Segel-Bazillus infizierten Wiederholungstäter auf rund 85 Prozent. Fremder Skipper, Segelscheininhaber, selbst Skipper. So verläuft die Hobbykarriere vieler, die sich einen Landurlaub mit Reiseführer und Pauschalarrangement gar nicht mehr vorstellen können.

"Urlaub von der ersten Minute an“

Jens, unser Skipper, hat seine Crew im Griff. „Alle Mann über Bord,“ befiehlt er lachend. „Wir gehen jetzt schwimmen!“ Auf offenem Meer holen wir die Segel ein, lassen unser Schiff treiben, springen in das kristallklare Wasser. Natürlich ist mindestens immer einer an Bord – aus Sicherheitsgründen. Wir wechseln uns ab. Wenig später lassen wir uns an der warmen Sonne trocknen und ich frage unseren Kapitän auf Zeit nach dem Sinn des Segelns. Jens Plath, 55, ist im wirklichen Leben Coach für Teambuilding in München. Ein- bis dreimal im Jahr chartert er mit Freunden für eine Woche eine Segelyacht, erzählt er. Dann sind sie in der Ägäis unterwegs, vor Korsika und Sardinien, in den Gewässern vor Kroatien oder der Côte d'Azur. „Das ist Urlaub von der ersten Minute an,“ schwärmt Jens. „Mit dem Schiff unterwegs zu sein gibt mir das Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit“. Ob er damit nicht gängige Klischees bedient? „Mag sein,“ sagt Jens. „Aber ich empfinde das so“.

Nicht nur er. Denn das Geschäft der Yachtvercharterer boomt wie nie. „Es ist mehr als ein Trend,“ sagt Jim van Leeuwen. „Wir haben seit ein paar Jahren zweistellige Wachstumsraten“. Seine Company wurde vor 45, die der Schwesterfirma „The Moorings“ gar schon vor 50 Jahren gegründet. Es ist in der Segelbranche das älteste Charterunternehmen der Welt. Die einen operieren überwiegend im Mittelmeerraum, die anderen auf der anderen Erdhalbkugel, vor allem in der Karibik.

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Uli Eder Schwimmende Urlaubsdomizile: Die Flotte ist 600 Schiffe groß

 

„Ein Skiurlaub kostet nicht weniger“

Die Sunsail 51, auf der wir unterwegs sind, gehört zu den größeren unter den schwimmenden Urlaubsdomizilen. 48 unterschiedliche Segelyachten hat die Charter-Company im Angebot, rund 600 Schiffe groß ist die Flotte mit Bootslängen zwischen 32 Fuß (umgerechnet knapp 10 Meter) und 58 Fuß (circa 18 Meter). Das ist je nach Belegung ganz schön viel Platz auf diesen kleinen Hotels, zumal sich die Urlaubssegler die meiste Zeit an Deck aufhalten. Im Fall unserer „Kreta“ sieht es im Inneren so aus: Fünf Kajüten für bis zu zehn Personen, vier Nasszellen (Bäder mit Dusche und WC), ein großer Salon (der sich zum Extra-Doppelbett umbauen lässt) und eine integrierte Küche, Pantry genannt. Stauraum ist reichlich vorhanden, aber natürlich stellt sich bei soviel Luxus zunächst die Preisfrage. Jim van Leeuwen hat auf sie gewartet: „Nur weil wir ein exklusives Produkt haben, sind wir noch lange nicht teuer. Der Urlaub mit der Familie oder mit Freunden auf einer Yacht kostet sicherlich nicht mehr als ein ordentliches Hotel im Skiurlaub. Das Schöne dabei ist, dass sich die Kosten auf alle Passagiere an Bord umlegen lassen“.

Natürlich ist die Preisskala nach oben offen. Möglich ist vieles, selbst die Bestellung von Lebensmitteln und Getränken im Online-Shop. Ob ein Koch gebucht werden soll, muss jeder für sich selbst entscheiden. 

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Uli Eder Die Marina von Hydra ist eine der schönsten im Saronischen Meer

 

Ankern, wo und wann einem danach ist

Es ist die Individualität, die einen Segeltörn zu einem besonderen Urlaubserlebnis macht. Ankern vor menschenleeren Stränden, Übernachten in einsamen Buchten, Anlegen in traumhaft schönen kleinen Marinas, zauberhafte Dörfer am Meer entdecken, sich unter die Einheimischen mischen, sich Fangfrisches zubereiten zu lassen, unter freiem Himmel ein Glas Wein zu  genießen. Auf den Punkt gebracht: Ein Segelurlaub schenkt einem den Luxus, zu bleiben und das Leben auf See auszukosten, wann und wo einem danach ist. Jim van Leeuwen, der segeln lernte, bevor er laufen konnte und die schönsten Segelreviere der Welt befahren hat, hat einen leicht philosophisch  klingenden Ansatz: „Beim Segeln ist die Reise das Ziel“. Deshalb nennt er die Freiheit, unterwegs zu sein und nicht ankommen zu müssen, „eines der letzten Abenteuer unserer Zeit“. 

Abenteuer? Nicht im Sinne eines ungewissen Ausgangs. Denn die Charterunternehmen machen ihren segelnden Kunden das Leben so einfach und komfortabel wie möglich. Das geht beim Angebot einer Segelschule los und hört bei der Garantie, im Notfall wo auch immer auf der Welt innerhalb von vier Stunden Hilfe zu bekommen, nicht auf. Auch die Beratung beim Finden des geeigneten Reviers und ein halbtägiges kostenloses Briefing bei Übernahme des Schiffes durch einen Skipper gehören zur Message, die mit „You never sail alone“ wohl am besten beschrieben ist. Zum Einstieg werden die Küsten der Adria, Kroatiens oder Griechenlands empfohlen, dem Gefühl der Sicherheit wegen, wie Jim erklärt: „Wer ohne Skipper unterwegs und noch nicht so erfahren ist, fühlt sich einfach wohler, wenn Land in Sicht ist“.

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Sunsail Spaß in den schönsten Segelrevieren der Welt

 

... und irgendwann lockt die Karibik

Irgendwann locken vielleicht die Britischen Jungferninsel der Karibik, die Whitsundays vor Australien, oder Segeltörns in Thailand, den Seychellen und anderen Traumzielen. Für Weltensegler Jim gilt das nur bedingt: „Das Mittelmeer ist für mich persönlich eines der schönsten Reviere der Welt“. Und unabhängig von der Route ist dem gebürtigen Niederländer eine andere Message wichtig: „A man without a boat is a prisoner, sagen die Segler“. Womit wir wieder bei diesem besonderen Gefühl der Freiheit wären. Und sei es nur für die schönsten Tage im Jahr. Weitere Informationen: www.sunsail.de