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Muss sichtlich leiden: Joshua Kimmich.
(Foto: Jan Huebner/imago images)

Mehr als nur ein Lackschaden

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Schiedsrichter Marco Fritz brauchte nicht um Leib und Leben zu fürchten, als er gleich nach dem Schlusspfiff Besuch von einem halben Dutzend schnaufend herbeigeeilter Bayern-Spieler bekam. Aber er brauchte auch nicht die Illusion zu haben, dass sich die Münchner Profis bei ihm für die korrekte Spielleitung bedanken wollten. Fritz bewahrte mannhaft die stramme Haltung, während unter anderen Manuel Neuer, Thiago, Thomas Müller und Robert Lewandowski auf ihn einredeten, es wurde gestikuliert, argumentiert und geschimpft, bis der Protestbewegung die Luft ausging und Fritz unversehrt den Gang in die Kabine antreten konnte.

Nein, kein Bayern-Spieler hat behauptet, der Schiedsrichter trage die Schuld daran, dass beim 1:2 in Mönchengladbach wieder ein Spiel verloren ging, das nächste nach dem 1:2 gegen Leverkusen in der Woche zuvor. Man klagte über die Kürze der Nachspielzeit und vermutlich noch über dieses und jenes, aber vor allem ging es wohl darum, bei irgendjemandem den Ärger über die Niederlage abzuladen. Worüber sich jedenfalls niemand beschwert hat: über den Elfmeter, der den Borussen in der Nachspielzeit das 2:1 bescherte.

Während Neuer im weiteren Verlauf des aufsehenerregenden Nachmittags von einem "dummen Foul" sprach und Müller von einem "unnötigen" Strafstoß, "bei dem wir selber mitgeholfen haben", stellte Joshua Kimmich mit eisigem Unterton fest, er habe selten "einen klareren Elfmeter gesehen". Der Nationalspieler war ein glaubwürdiger Zeuge: Er stand daneben, als Javi Martínez mit Urgewalt dem Gladbacher Angreifer Marcus Thuram in die Parade fuhr und dabei zwar den Ball traf, aber in erster Linie den Gegenspieler abräumte wie alle Neune beim Kegeln.

Es reicht nicht für Souveränität

Kimmich brauchte nicht den Entscheid des Schiedsrichters abzuwarten, er bekam schon vorher einen Wutanfall über diesen missratenen Noteinsatz in einem Moment, in dem gar keine Not herrschte. Er könnte "durchdrehen", bekannte Kimmich. Wegen des Elfmeters und des übereifrigen Mitspielers Martínez im Speziellen und wegen der allmählich gründlich verunglückten Situation im Allgemeinen.

Der aktuelle deutsche Meister nimmt nach der vierten Saisonniederlage Rang sieben in der Tabelle ein, ein Platz, der nicht mal mehr zur Teilnahme am Intertoto- respektive UI-Cup berechtigt, denn diese schönen Wettbewerbe hat die Uefa leider abgeschafft. "Wir müssen jetzt Punkte holen, sonst wird's schattig", befand Müller nach einem Spiel, in dem seine Elf paradoxerweise über weite Strecken wie der logische Champion der Liga ausgesehen hatte. Die Bayern hätten wieder bewiesen, dass sie schlechthin alle Varianten beherrschten, um einen Gegner zu dominieren, sagte Borussia-Trainer Marco Rose.

Was er höflicherweise nicht sagte: dass dem hochverehrten FC Bayern ein Kernelement seiner Kunst abhandengekommen ist. Aus ihrer Überlegenheit und der Übermacht an Klasse gewinnen die Münchner keinen Ertrag mehr. Wie gegen Leverkusen habe es "viel Positives" gegeben, informierte Müller wahrheitsgetreu - "aber unterm Strich steht viel Negatives".