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Ganz ohne Zucker: Mikro-Advent-Architektur 

Architektur-Aufreger: Auf dem Weihnachtsmarkt

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Die Dörfer kommen in die Städte. Sie zwängen sich mit ihren Häuschen zwischen die Häuser und zwängen uns gleich mit.

Das Gute am Temporären. Man muss sich nicht so sehr zusammenreißen. Das Problem erledigt sich von selbst. Mit dem Kalender. Auch mit manchen Architekturen ist es pünktlich wieder vorbei. Bis dahin steht aber im Dezember ziemlich viel herum in einer Stadt. Nicht nur das, was schon länger da war und man in den nächsten Jahren abreißen wird. Sondern auch das, was abgeholt wird, wenn alles vorbei ist, wie Mobi-Klos nach einem Festival. Hüttchen, Scheunchen, Beduinenzeltchen, Ställchen Häuschen -  sie formieren sich zu kleinen Weilern, Dörfern, Städtchen – in der Stadt. Die Architekturen wollen dabei nicht viel mehr als einfach so aussehen, dass sie auch Vierjährige schon abmalen können. Ganz reduziert auf die ursprünglichste Form des Bauens, die Funktion der dritten Haut, zum Schutz, zur Sicherheit, für die Geborgenheit. Und besonders letztere fühlt sich Ende des Jahres ja besonders gut aufgehoben. Im jahreszeitlichen Anforderungskatalog der Gefühle. Denn es ist die Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken. Auch den gestalterischen Dingen. Den Details auf den Lebkuchen. Dem Vanillezucker-Niederschlag auf den Kipferln.

Da haben wir schon, was viele unter Bescherung verstehen: jedes Keks bekommt mehr gestalterische Hingabe als die meisten Weihnachtsdörfer. Denn die stellen sich natürlich, so clever, als hätten sie sich's von Investoren-Architektur abgeschaut, dorthin, wo sie andere für sich wirken lassen können: in die imposanten, lichtinszenierten Architekturkulissen der Stadt. Dabei hätten die Häuschen, Scheunchen, Hüttchen, Ställchen doch gerade jetzt einmal so richtig ausgelassen tun können, was Architektur in stummer Übereinkunft selten darf, weil Fake- und Kitsch- und überhaupt Verdacht: kräftig darauf loszuckern hätten sie können. Niemand hätten es den Gestaltern verübelt, wenn sie mal süßlich geworden wären, die Herzen gerührt hätten. Nach dem 6. Jänner ist es ohnehin wieder verboten. Doch viele Häuser der Dörfer sind nüchterne, zweidimensional bedruckte oder beklebte Ausgabestellen für Schnick-Schnack und klebrige Flüssigkeiten, die sich Menschen gegenseitig auf Plüsch und Kunstfell schütten. Und viele Standln, um die Gestaltung noch zusätzlich einzufrieren, hängen die Sparlampe mit weißem Licht davor, damit die Straßen im Advent noch mehr aussehen als wäre sie eine begehbare Tiefkühltruhe.

Da freut man sich doch gleich zuhause aufs nächste warm-braune Amazon-Packerl aus Karton, der Herzenswärme wegen. Der ärgste Designverhau ist aber, dass Weihnachtsmärkte über jene hinwegsehen - und das sprichwörtlich -, deren Augen am meisten glänzen könnten: die Kinder. Alles, was interessant ist, beginnt dort zu glitzern und zu strahlen, wo der Kopf der Kleineren schon längst zu Ende ist. Kindern bleibt die klebrig-fettige, dunkle Zone zwischen nassem Asphalt und Stehtischen überlassen. An diesen ist allerdings die größte Design-Innovation der letzten Jahre passiert. Das große Loch in der Mitte, in die man alle pickigen Restln werfen kann. Und sich eng aneinanderschmiegen und -reiben, ja das gehört zum Verhaltensrepertoire im Winter dazu. Schließlich haben sich früher schon die Adeligen gemeinsam mit den Dienstboten in die Betten gelegt im Winter, des Mikro-Klimas wegen. Und jetzt umkuscheln einen die Textilien der anderen genauso wie die eigenen. Weil die Gestalter auch an die städtebauliche Dimension gedacht haben: Das gemeinsame Geschobenwerden als kollektives Erlebnis, das die soziale Kohäsion fördert. Auch das vermag Gestaltung. Häuschen Hüttchen, Scheunchen bringen die Leute z'samm. Ganz eng. Einfach weil sie zuviele sind.