Schweiz fürchtet um ihr Geschäftsmodell
OECD-Unternehmenssteuerreform
by Mathias ZahnOECD und G20 wollen Konzerne anders besteuern - zulasten von Ländern mit niedrigen Steuersätzen wie etwa der Schweiz. Deren Regierung will das verhindern - und setzt auf die Hilfe eines umstrittenen Staates.
Finanzminister Ueli Maurer zeigt sich alarmiert. Im Parlament warnte der Politiker von der nationalkonservativen SVP vergangene Woche: Käme es zu der Reform der weltweiten Unternehmensbesteuerung, könnte das die Schweiz hart treffen.
"Dann wird es für uns alle relativ ungemütlich. Wir sagen nach wie vor, dass es Einnahmeausfälle zwischen 0,5 und fünf Milliarden geben wird. Wenn es fünf Milliarden sind, herrscht Heulen und Zähneklappern, wenn das eingespart werden muss."
Derzeit läuft es so: Multinationale Konzerne erwirtschaften weltweit Umsätze. Die Gewinne verschieben sie in Niedrigsteuerländer wie die Schweiz. Hier bezahlen die Konzerne den größten Teil der Steuern.
Indien und Brasilien dürften profitieren
Die OECD schlägt vor, dass die Gewinne künftig dort versteuert werden, wo sie anfallen. Davon profitieren dürften zum Beispiel Schwellenländer wie Indien und Brasilien - auf Kosten der Schweiz.
Die Schweiz sei selbst schuld und könnte jetzt die Quittung bekommen für ihre Niedrigsteuerstrategie, sagt die sozialdemokratische Abgeordnete Jacqueline Badran: "Die Schweiz muss sich schon selber an die Nase fassen, weil sie sich in den letzten 20 Jahren von Konzernhauptsitzen abhängig gemacht hat, durch Anlockungen und Steuerprivilegien."
Dass die G20 neue Steuerregeln beschließen, scheint kaum noch zu verhindern. Die Schweiz versucht deshalb, im Hintergrund Einfluss zu nehmen, um den erwarteten Schaden zu begrenzen.
Einladung aus Riad
Im kommenden Jahr beim G20-Treffen in Saudi-Arabien soll die Besteuerung internationaler Konzerne ein wichtiges Thema sein. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Schweiz, die nicht zu den G20 gehört, eine Einladung bekommen hat. Als Gast dürfen die Schweizer in Saudi-Arabien dabei sein. In einem Land, das wegen Verstößen gegen die Menschenrechte in der Kritik steht. So wird Kronprinz Mohammed bin Salman verdächtigt, Drahtzieher des Mordes am Regierungskritiker Jamal Khashoggi gewesen zu sein.
Ueli Maurer ist zurzeit nicht nur Schweizer Finanzminister, sondern steht als Bundespräsident auch der Regierung vor. Maurer hatte kein Problem damit, die Einladung aus Saudi-Arabien anzunehmen. "Es hat nichts mit Saudi-Arabien zu tun, sondern mit G20." Dass das Treffen jetzt in Saudi-Arabien stattfindet, sei eher zufällig.
"Aber für uns sind die G20 wichtig und dass es in Saudi-Arabien ist, das stört eigentlich auch nicht, weil sich alle anderen sich eben auch dort treffen", sagt Maurer.
Umstrittene Reise nach Saudi-Arabien
Im Oktober besuchte Maurer den saudischen König, was ihm Kritik einbrachte. Im vergangenen Januar sorgte er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos für Aufsehen - mit der Aussage, der Fall Khashoggi sei abgehakt. Später sagte Maurer dazu, er sei falsch verstanden worden.
Im Schweizer Parlament gibt es Kritik daran, dass die Schweiz am G20-Treffen in Saudi-Arabien teilnimmt, vor allem von sozialdemokratischen Abgeordneten wie Fabian Molina:
"Unsere Freunde sind Staaten, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit hochhalten. Da gehört Saudi-Arabien nicht dazu. Wenn man Politik gegen den Multilateralismus zusammen mit Saudi-Arabien macht, wird das der Schweiz eher früher als später auf die Füße fallen."
Pikant ist, dass im kommenden Jahr die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga der Schweizer Regierung vorsteht. Sie würde dann nach Saudi-Arabien reisen, worauf Sommaruga weniger Lust zu haben scheint als ihr Kollege Maurer. Intern soll die Sozialdemokratin bereits deutlich gemacht haben, dass sie nicht begeistert ist von der Aussicht, am G20-Treffen teilnehmen zu müssen.
Mathias Zahn, ARD Zürich
08.12.2019 15:39 Uhr