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Grigori Rodtschenkow steht im Antidopinglabor in Moskau (Archivbild)

Der Kronzeuge

Er organisierte einen der größten Doping-Betrugsfälle der Sportgeschichte - und machte später alles öffentlich: Ex-Laborchef Grigori Rodtschenkow. So lief die Wandlung des russischen Chemikers.

Wenn die Weltantidopingagentur Wada an diesem Montag über eine mögliche Sperre Russlands für die Olympischen Sommerspiele in Tokio entscheidet, dann wird auch Grigori Rodtschenkow wieder eine Rolle spielen. Auch wenn der Dopingskandal um die Olympischen Winterspiele in Sotschi fast sechs Jahre her ist, beschäftigen seine Enthüllungen den Weltsport noch immer.

Der 61-jährige Russe, ein begabter Chemiker, war zehn Jahre lang Chef des Dopingkontrolllabors in Moskau. Er hielt Vorträge über den Kampf gegen Doping, entwickelte bahnbrechende Methoden in der Verfolgung von Dopingsündern - und installierte parallel dazu selbst eines der größten Dopingsysteme der Sportgeschichte.

Als dieses 2015 aufflog, wechselte er die Seiten. Er wurde zum wichtigsten Kronzeugen gegen den staatlich geförderten Dopingbetrug. Er lieferte Daten - Dokumente, Tabellen, E-Mails -, mit deren Hilfe Ermittler nachvollziehen konnten, wie der Betrug in Russland ablief. Rodtschenkow wurde kurz nach seinen Enthüllungen in Schutzhaft genommen, er ist an einem geheimen Ort in den USA versteckt.

Dopingproben durch ein Loch in der Wand rausgeschmuggelt

Rodtschenkow, früher selbst Leichtathlet, probierte laut eigener Aussage "fast die ganze Liste der verbotenen Mittel" an sich selbst aus. 2005 wurde er Laborleiter, gleichzeitig laut eigener Aussage auch Mitarbeiter beim russischen Geheimdienst. Er verkaufte verbotene Medikamente - und ließ positive Doping-Tests im Labor gegen Geld verschwinden.

2011 wurde sein Dopinghandel dann von russischen Ermittlern entdeckt. Trotzdem durfte er weiter als Laborchef arbeiten, um ein Dopingsystem für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 vorzubereiten. Er blieb unbestraft und man nutzte sein System, um Medaillen für Russland zu gewinnen. Rodtschenkow meldete fortan positive Proben per E-Mail an Jurij Nagorny, dem damaligen Vizesportminister und dieser teilte ihm mit, ob ein Sportler gesperrt werden soll oder nicht.

Diese Vorwürfe wurden in den McLaren-Reports des Rechtsprofessors und Sonderermittlers in der Russland-Causa, Richard McLaren, bestätigt. Ebenso wie das System, das anlässlich der Winterspiele 2014 installiert wurde: Mithilfe des russischen Geheimdienstes wurden demnach Urinfläschchen durch ein Loch in der Wand aus einem Kontrolllabor geschmuggelt, geöffnet, mit sauberen Urin versehen - und wieder zurückgebracht.

Ein "Schurke", der "vom Ausland gelenkt" ist

Nach den Spielen in Sotschi wurde Rodtschenkows altes Korruptionssystem im Moskauer Labor öffentlich, weil die Whistleblower Julija und Witalij Stepanow in einer ARD-Dokumentation über die Lage bei den Leichtathleten sprachen. Die Wada entzog dem Labor die Akkreditierung - und Rodtschenkow verlor seinen Job. Er versteckte sich mithilfe eines Dokumentarfilmers in den USA, der ihn in den Monaten zuvor immer wieder interviewt hatte (Der Film "Icarus" zeigt viele dieser dramatischen Momente). Später packte er dann in der "New York Times" aus.

In Russland ist er seitdem Persona non grata. Präsident Wladimir Putin nennt ihn einen "Schurken", der "vom Ausland gelenkt" werde. Die Ablehnung gegen Rodtschenkow ist dort weit verbreitet, nicht selten fällt die Bezeichnung "Verräter". Russische Vertreter bestreiten besonders die Verstrickung von staatlichen Vertretern in das Dopingsystem sowie die Beteiligung des Geheimdienstes immer wieder vehement.

Auch im aktuellen Fall der Russland-Causa, in dem es um mutmaßlich gefälschte Datenbanken aus dem Moskauer Labor geht, ist Rodtschenkow wieder ein Thema: Die Wada-Kommission teilte in ihren Ergebnissen mit, dass die unbekannten Täter auch fingierte Beweise hinterlassen hatten, die Rodtschenkow als Lügner entlarven sollten. Diese seien aber von den Ermittlern als Fälschungen erkannt worden.

bka