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Angeblich war die Holzfigur aus Kamerun ein Geschenk. Die Wissenschaftler sagen: Das kann nicht sein.

Raubkunst? Forscher prüfen Objekte aus Kolonien

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Wie viel jüdisches Raubgut befindet sich bis heute in unseren Museen? Diese Frage stand lange im Mittelpunkt der Debatte. Doch spätestens seit der Diskussion um die Benin-Bronzen im Berliner Humboldt Forum rücken auch die Bestände der ethnologischen Sammlungen in den Fokus: Viele Objekte stammen aus der Kolonialzeit und wurden den Einheimischen mit Gewalt abgenommen. In Niedersachsen packen jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Afrika und Ozeanien im Rahmen des Projekts Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie (PAESE) gemeinsam das heiße Eisen an.

Alexis von Poser ist Kurator der ethnologischen Sammlung des Landesmuseums Hannover. In der Sammlung befinden sich zahlreiche Kulturschätze aus Afrika, darunter eine geschnitzte Figur. "Diese Königsstatue stammt aus einer ehemaligen deutschen Kolonie, genauer gesagt aus Kamerun", erklärt Poser. "1910 wurde sie dem damaligen Provinzialmuseum von Wilko von Frese übergeben. Der Hannoveraner Sammler war Leutnant der sogenannten Schutztruppe Kaiser Wilhelms in Dschang. Glaubt man von Freses Angaben, hat der Sohn eines "Häuptlings" - wie er es nannte - ihm die Statue geschenkt."

Geschenk oder Raubkunst?

Doch ob diese Überlieferung der Wahrheit entspricht, ist zweifelhaft. "Das ist natürlich für uns zunächst ein Zeichen, dass es sich um eine unproblematische Provenienz handelt. Das Problem ist, dass solche Figuren den lokalen Königen als Legitimation ihres Herrschaftsanspruchs dienen. Und man kann sich schwer vorstellen, dass eine solche Figur tatsächlich geschenkt worden wäre."

PAESE-Projekt untersucht Bestände der Museen

Hat der Leutnant gelogen? Das ist eine von vielen Fragen, die das PAESE-Projekt beantworten soll. Ein deutschlandweit einmaliges Vorhaben: Sieben Museen und Forschungseinrichtungen aus Niedersachsen durchleuchten ihre ethnologischen Bestände auf Raubgut. Klar ist: Zahllose Objekte aus der Kolonialzeit haben eine Geschichte, die mit Leid und Gewalt verknüpft ist. 

Museumsdetektive - auf den Spuren kolonialer Raubkunst in Niedersachsen
Der Beitrag zum Hören.NDR Info - Kultur - 30.11.2019 07:55 Uhr Autor/in: Lahmann-Lammert, Sile

Strafexpeditionen gegen die Bevölkerung

Bianca Baumann erforscht am Landesmuseum die Herkunftsgeschichten von Gegenständen aus den früheren Kolonien. Welche Stücke wurden ehrlich erworben, welche bei sogenannten "Strafexpeditionen" geraubt? "Die Deutschen sind in der Kolonialzeit gegen die Widerstand leistende Bevölkerung sehr harsch vorgegangen", erklärt Baumann. "Sie sind dann oft in die Dörfer eingefallen, haben die Häuser niedergebrannt, die Anführer der Gruppen erhängt."

Wissenschaftler aus Kamerun sollen den Fall aufklären

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Auf Karteikarten hat das Landesmuseum Hannover vermerkt, wie Objekte ins Haus kamen. Aber sind die Geschichten wahr?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kamerun sind im Rahmen des PAESE-Projekts zu einem mehrwöchigen Arbeitsbesuch nach Niedersachsen gekommen. Sie sollen beurteilen, ob die Königsfigur tatsächlich ein Geschenk gewesen sein kann. "Ich sage klipp und klar: Das ist unmöglich", erklärt Paule Dassi, Direktorin des Museums Batoufam in Kamerun. Die Figur sei ein Ahnenporträt, an dem sich der Platz des Königs in der Reihe seiner Vorfahren ablesen lasse. "Man kann das mit dem Schädelkult vergleichen: Bei uns gibt es den Brauch, die Schädel von Verstorbenen mit nach Hause zu nehmen. Eine Ahnenfigur zu verschenken, wäre ungefähr so, als würde man jemandem den Schädel eines Angehörigen als Präsent anbieten."

"Müssen Verantwortung unserer Vorfahren übernehmen"

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Kamerun sind sich einig: Kulturgüter, die während der Kolonialzeit gewaltsam erbeutet wurden, müssen zurückgegeben werden. In vielen Fällen ist jedoch erst mal zu klären, wer der frühere Besitzer war. Gibt es Erben? Nachfahren? Rechtsnachfolger? Albert Gouaffo, Literaturprofessor und Spezialist für deutsch-kamerunische Geschichte, vergleicht die beiden Länder mit einem Ehepaar nach der Scheidung. "Wenn zwei Menschen einmal verheiratet waren, kann man mit der Scheidung eigentlich nicht mit der Geschichte aufhören. Man kann zwar juristisch sagen, wir sind nicht zusammen. Aber wir sind doch noch immer zusammen. Geschichte ist Geschichte. Und wir waren nicht daran schuld, aber wir müssen die Verantwortung unserer Vorfahren übernehmen. Von beiden Seiten."