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Die Polizei im Harz - hier ein Archivbild aus dem Revier in Halberstadt - arbeitet an der Belastungsgrenze.Foto: Marco Junghans
„Das ist Rückzug des Staates“

Der Polizei fehlt Personal für Streifendienst

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   •  Seit Jahren gibt es Klagen im im Landkreis Harz über die geringe Präsenz der Polizei.
   •  Was ist dran an der Kritik? Ist es - wie oft bei Sicherheit - nur ein gefühltes Phänomen?
   •  Wir sprachen mit Thales Bürgermeister Balcerowski, Quedlinburgs OB Ruch und fragten nach bei der Polizeiinspektion Magdeburg.

Halberstadt - Die Klagen kommen aus vielen Ecken des Landkreises. Aus der Gemeinde Selke-Aue ebenso wie aus den Städten Thale, Harzgerode und Ballenstedt: Die Polizei zeige sich zu wenig auf der Straße, klagen die Bürgermeister.

Was ist dran an der Kritik? Ist es - wie so oft bei der Sicherheit - nur ein gefühltes Phänomen? Oder geht der Polizei im Harz tatsächlich die Puste aus? Interne Papiere, die der MZ vorliegen, zeigen, wie ernst das Problem ist: Die Streifenbereiche im Harz sind über das Jahr gesehen gerade einmal zu gut 80 Prozent besetzt.

Für 2.100 Quadratkilometer und 215.000 Einwohner stehen nur sechs Streifenwagen zur Verfügung

Das bedeutet: Obwohl es nur sechs Streifenwagen für den bevölkerungsreichsten Landkreis Sachsen-Anhalts mit seinen rund 215.000 Einwohnern und einer Fläche von 2.100 Quadratkilometern gibt, sind diese noch nicht mal immer komplett unterwegs.

Damit ist der Landkreis Harz in der ohnehin nicht verwöhnten Polizeiinspektion Magdeburg zusammen mit dem Salzlandkreis mit ähnlichen Besetzungszahlen das Schlusslicht. Im Polizeirevier Magdeburg etwa steuern die Streifenbesetzungszahlen aufs Jahr gesehen auf die 90 Prozent zu, im Revier Börde liegen sie sogar knapp unter 100 Prozent.

„Das ist schlecht, einfach schlecht“, sagt Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) der MZ. „Das ist der Rückzug des Staates.“ Die Einwohner in Thale „fühlen und sehen“, dass die Polizei nur noch selten präsent sei. Wenn man sie rufe, dann bekomme man schon mal den Hinweis: „Wir können erst in zwei Stunden da sein.“  Er habe das selbst erlebt, sagt Balcerowski. „Oder sie kommen gar nicht.“

Sein Wunsch: Eine erhöhte Präsenz der Beamten, einen stärkeren Verfolgungsdruck für Kriminelle, was zur Vermeidung von Straftaten führe. Er sieht die Schuld für die Misere beim Land. „Das ist ein hausgemachtes Problem wie bei den Lehrern“, so Balcerowski.

Thales Bürgermeister Balcerowski sieht die Schuld für die Polizei-Misere bei der Landesregierung

Denn es sei absehbar gewesen, dass die Zahl der Polizisten sinke. Man hätte in Magdeburg früh genug für Nachwuchs sorgen müssen. „Da ist Sachsen-Anhalt wieder mal schlecht“, sagt Balcerowski. Deswegen setze die Stadt Thale seit Jahren eine „City-Streife“ ein, die gegen Vandalismus und Ruhestörungen einschreiten soll.

Die Polizeiinspektion Magdeburg wiegelt ab. Die der MZ vorliegenden Zahlen „ermöglichen in erster Linie einen behördeninternen Vergleich, um zum Beispiel mit Personalverschiebungen auf eine Fehlentwicklung bei den Reaktionszeiten reagieren zu können, für die Qualität des Einsatzmanagements sind sie indes weniger aussagekräftig“, heißt es in der Antwort der Behörde auf eine MZ-Anfrage.

Die Einsatzreaktionszeiten - also die Zeit bis zum Eintreffen am Einsatzort - seien dagegen die eigentlich wichtigen Zahlen. Und hier liege der Harz sehr gut, so die PI, nämlich bei gut 18 Minuten im Schnitt - 20 Minuten sind als Maximum vorgegeben.

Polizeiinspektion Magdeburg verweist auf die so genannte Einsatzreaktionszeit, die im Harz sehr gut sei

„Diese Zahl ist selbst kreiert“, sagt ein Polizist, der anonym bleiben möchte, der MZ. „Damit redet man sich die Situation schön.“ Die Zahl der Streifenfahrzeuge sei in den vergangenen Jahren „dramatisch nach unten korrigiert“ worden, sagt er.

Dadurch müssten bei Einsätzen Prioritäten gesetzt werden. „Manchmal müssen die Beteiligten eines Unfalls mehr als eine Stunde warten.“ Es gebe den dringenden Wunsch nach mehr Personal, sagt der Beamte. „Es klemmt hinten und vorne.“

Zufrieden mit der Polizeiarbeit ist dagegen Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU). „Wir haben einen agilen und professionellen städtischen Fachbereich Recht und Ordnung, der eng mit der Polizei vernetzt ist“, sagt Ruch.

Und vor allem: Anstelle von zwei Regionalbereichsbeamten wie die anderen Städte besitzt Quedlinburg noch ein Revierkommissariat. „Wir haben den Eindruck, dass das Kommissariat und das Revier mehr leisten, als sie eigentlich müssten.“

Es gebe für die Polizei im Harz zum Beispiel durch die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt (Zast) eine zusätzliche Belastung. „Aber wenn es brenzlig wird und es nötig ist, ist die Polizei immer sofort da“, sagt Ruch. Wenn schon Kritik, dann würde die an die Landesregierung gehen, die nicht für eine ausreichende personelle Ausstattung der Polizei sorge. So funktioniere manches nur „unter Umgehung des Dienstweges“, sagt Ruch.  (mz)