Lucien Favre muss als Sündenbock für die Krise von Borussia Dortmund herhalten. Die 1:3-Niederlage gegen den FC Barcelona untermauert jedoch den Eindruck, dass sich einige Führungsspieler des BVB hinter ihrem angezählten Trainer verstecken.
Man kann nicht behaupten, Marco Reus hätte nicht versucht, sich und seinen Mitspielern einzuheizen. "Ein geiles Spiel in einer geilen Stadt gegen einen geilen Verein", erwarte den BVB, prophezeite der Kapitän auf der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Kracher beim FC Barcelona und fragte nach einer kurzen Atempause rhetorisch in die Runde: "Was will man als Fußballspieler mehr?"
Reus erweckte den Anschein, als sei er motiviert, als versprühe er Leidenschaft, als würde er seiner Vielzahl an kritischen Interviews in den vergangenen Wochen unbedingt Taten folgen lassen und seinem unter Druck stehenden Lieblingstrainer Lucien Favre helfen wollen. Das, was Reus dann aber während der 90 Minuten im Camp Nou bot, hatte wenig mit Geilheit zu tun. Vielmehr erwies sich der in der vergangenen Saison noch zum Fußballer des Jahres gekürte Offensivmann als Totalausfall.
Reus blieb im siebten Champions-League-Spiel in Folge torlos, was gegen ein Kaliber wie Barca nicht unbedingt bedenklich war. Bedenklicher war dann schon, dass er es gegen eine alles andere als sattelfeste katalanische Defensive weder schaffte, einen Torschuss abzugeben noch eine Chance zu kreieren oder überhaupt: aktiv am Spiel teilzunehmen.
Mit 32 Pässen spielte der 30-Jährige die wenigsten aller Feldspieler, die in der Startelf standen. Zum Vergleich: Der zur Pause eingewechselte Jadon Sancho spielte 43 Pässe. Dass nicht einmal aufmunternde Gesten von Reus in Richtung seiner Kollegen zu beobachten waren, ließ den Auftritt des Kapitäns noch unwürdiger erscheinen.
Der 44-malige Nationalspieler ist aber bei weitem nicht der einzige vermeintliche Anführer, der sich in der kritischsten Phase der Ära Favre seiner Verantwortung entzieht. Der BVB im November 2019 hat so einige Probleme, eines davon ist sein Führungsproblem, seine kaputte Achse. Mats Hummmels und Axel Witsel, beide 30 und als Führungsspieler verpflichtet, enttäuschten in Barcelona ebenfalls.
Hummels patzt, Witsel lässt sich vorführen
Hummels, im Hinspiel gegen Barca noch mit einer überragenden Leistung sowie Dortmunds Bester bei der Schlappe in München, spielte vor dem 0:2 einen fatalen Fehlpass vor die Füße von Luis Suarez, der Lionel Messi bediente. "Eklatant", "unnötig" und "einfach schlecht" sei diese Aktion gewesen, wie er selbstkritisch sagte, während Witsel als Strukturgeber im Mittelfeld versagte. Der Belgier kam nicht in die Zweikämpfe, ließ sich von Messi und Co. geradezu vorführen, als er würde er zum ersten und nicht zum 53. Mal in der Königsklasse spielen.
Auch in den Partien zuvor, insbesondere beim 0:4 gegen den FC Bayern, war er trotz einer Passquote von an die 90 Prozent immer wieder für so manchen Schnitzer gut. Zumal es ihm nur selten gelang, die bisweilen zu großen Lücken zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen zu schließen.
Reus: "Wir strotzen nicht vor Selbstvertrauen"
"Wir haben eigentlich die Qualität im Zentrum, bringen sie momentan aber nicht auf den Platz", erkannte Roman Bürki nach der 1:3-Niederlage in Barcelona. Der Torhüter war der einzige Spieler, der nach diesem Abend den Finger in die Wunde legte und deutlich machte, dass das Gebotene von jedem Einzelnen "zu wenig" gewesen sei und man so in Zukunft nicht den eigenen Ansprüchen gerecht werde.
Witsel hingegen verschwand wortlos im Bus, während sich Hummels zwar den Medien stellte, mit dem über weite Strecken mutlosen Auftritt aber fast schon zufrieden gab. "Wir waren okay, es ist nichts passiert, wofür wir uns schämen müssten", so die Worte des Weltmeisters von 2014.
Reus sprach immerhin das aus, was offensichtlich war: "Es läuft nicht in die richtige Richtung. Wir strotzen momentan nicht vor Selbstvertrauen." Erst recht die vermeintlichen Anführer.