Junge Kulturszene

„Köln ist eine verdammt gute Stadt“

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Der Schriftsteller Yannic Han Biao FedererFoto: Grönert

Köln - Köln war sehr wichtig für mich, auch wenn ich lange in Bonn gewohnt habe. Ich bin ja eigentlich in einem kleinen Dorf im Freiburger Umland aufgewachsen. Da war es erst einmal weniger einschüchternd, nach Bonn zu gehen, alles ist etwas übersichtlicher. Aber in Köln habe ich dann irgendwann Leute kennengelernt, die wie ich schreiben wollten. In dieser Zeit ist vieles entstanden, eine Textwerkstatt zum Beispiel, in der wir, ganz ohne institutionellen Rahmen, über unsere Texte diskutiert haben. 2014 ist außerdem „Land in Sicht“, die Lesereihe im Café Fleur, an den Start gegangen. Im Literaturhaus hat Tilman Strasser die „Zwischenmiete Köln“ ins Leben gerufen, dann kam Dorian Steinhoff mit seiner Literaturshow. Und jetzt gibt es gleich zwei Studiengänge in der Stadt, die sich mit literarischem Schreiben beschäftigen. Das sind alles kleine Glutnester, die sich gegenseitig befeuern. Austausch ist das, was mir davor immer gefehlt hat, das ist unglaublich wichtig.

Für junge Autorinnen und Autoren sind Förderstrukturen immens wichtig. In Nordrhein-Westfalen gibt es da einige sehr gute Einrichtungen, den Preis der Wuppertaler Literatur Biennale zum Beispiel, das Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln, um nur einige zu nennen. Für mich war das Brinkmann-Stipendium ein unglaublicher Anschub, eine Bestärkung, dass ich das Schreiben ernsthaft verfolgen muss.

Natürlich kann die Stadt im Hinblick auf die Förderung von Literatur, junger Literatur insbesondere, immer mehr machen. Die Literatur steht heute ja unter einem besonderen Druck, zwischen Netflix, Podcasts und dem Dauerrauschen der Sozialen Medien unterzugehen. Außerdem brechen viele Plattformen weg, auf der früher Literatur stattfinden konnte, die Literaturkritik findet nicht mehr den Raum, den sie früher noch besaß. Wir müssen Antworten finden auf diese neue Situation. Der jungen Literatur und ihrer Vermittlung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Hier werden die neuen Formate, die neuen Formen ausprobiert. Die Literatur hat unheimlich viel zu geben, auch morgen noch. Wenn wir wollen, dass uns dieser Schatz an kultureller Praxis nicht verloren geht, müssen wir jetzt an der Frage arbeiten, wie diese Praxis morgen aussehen wird.

Das Literaturhaus ist ein großes Geschenk, so etwas gibt es nicht überall und nicht überall in dieser Qualität. Es ist außerdem ein Andockpunkt für viele Kooperationspartner, ist also sehr offen. Ich hatte dort meine erste große Lesung als Brinkmann-Stipendiat, daran denke ich sehr gerne zurück. Inzwischen bin ich im Literaturhaus auch als Mitarbeiter tätig, arbeite gemeinsam mit den Kolleginnen an Programm und Kommunikation. Das ist für mich sehr spannend – den Blick zu wechseln und zu weiten, als Veranstalter zu denken, kuratorisch zu arbeiten.

Es gibt keine Stadt, in der ich so viele Menschen kenne, wie Berlin, und es gibt keine Stadt, in der ich so selten gewesen bin. Unglaublich viele Leute, die ich kennengelernt habe, sind dorthin abgewandert, und insofern wäre es für meine Generation untypisch, wenn ich mir nicht auch drei Mal im Jahr die Frage gestellt hätte, ob ich nicht unbedingt nach Berlin gehen muss. Ich schätze die Stadt sehr, sie hat wahnsinnig viel zu bieten, aber ich finde es wichtig, dass das nicht der einzig mögliche Wirkungsort für Autorinnen und Autoren ist.

Wenn viele Menschen vom gleichen Ort aus die Welt beobachten, werden sie zu einem sich selbst stabilisierenden System. Der Semiotiker Juri Lotman hat treffend beschrieben, dass die kulturelle Innovation aus der Peripherie kommt, während sich die Strukturen im Zentrum verhärten. Aus der Peripherie muss das Neue kommen, das die Verhärtungen destabilisiert. Es gibt in Deutschland eigentlich keine andere Stadt, von der ich denke, da muss ich unbedingt hin. Köln ist schon eine verdammt gute Stadt.