Krieg zwischen Deloitte und Partner explodiert
Schweizer Spitzenmann sollte durch fragwürdige Untersuchung entmachtet werden. Nun verklagt er Deloitte in London.
by Lukas HässigEiner der erfolgreichsten Schweizer Deloitte-Partner hat seine Beratungsfirma vor zwei Tagen vor einen Londoner Richter gezerrt. Er wehrt sich dagegen, dass ihm untersagt blieb, sich vor den Partnern zu verteidigen.
Der Fall ist heute früh explodiert. Die Financial Times berichtete prominent vom Partner, der grosse Mandate von der CS und weiteren Banken leitete und Dutzende von Millionen Honorare für Deloitte generierte.
Der Mann wurde dafür gewürdigt, er zählte zu den Topten von Deloitte Schweiz. Dann fiel er bei den Chefs der Beraterin in Ungnade. Diese hat ihn inzwischen vor die Tür gesetzt.
Das Sagen bei Deloitte hat London. Die dortigen Spitzenpartner sehen den Schweizer Ableger als verlängerten Arm von Deloitte UK. Entsprechend haben sie ein Management in Zürich eingesetzt, das keine Forderungen stellt.
Der Partner, um den es hier geht, hielt sich nicht an dieses Muster. Er zeigte den Engländern die kalte Schulter, indem er beim CS-Grossprojekt US-Steuerkrieg die Londoner Partner aussen vor liess.
Dies ist wohl den England-Chefs in den falschen Hals geraten. Sie wollen an den grossen Projekten partizipieren. Wie sonst sichern sie sich hohe Boni?
Vor Jahresfrist schritten sie zur Tat. Am 10. Dezember letzten Jahres beorderten sie den Zürcher Partner, der aus einer Christenfamilie in Libanon stammt und in Holland aufgewachsen war, in die Deloitte-Zentrale in London.
„We have an issue“, wir haben etwas zu besprechen. Dem Zürcher Partner wurde dann beschieden, dass sein Verhalten bei anderen Partnern in der Limmatstadt zu reden gäbe, wie Gerichtsdokumente zeigen.
Rasch gings zur Sache. Eine interne Truppe startete eine gigantische Untersuchung gegen den Mann. Die Ermittler nahmen alle Emails, Briefe, Notizen, Rechnungen, Spesen und sonstigen Aufzeichnungen über viele Jahre zurück unter die Lupe.
Sie befragten Partner, Vorgesetzte und Unterstellte des Partners, sammelten Meinungen von Kunden. Dann schrieben sie einen langen Bericht, mit allen Details und Erkenntnissen.
Diese waren kaum das Papier wert, auf dem sie standen. Es kam nichts zum Vorschein. Der härteste Vorwurf war, dass der Partner seine Kollegen für ein paar Tage nach Sizilien mitnahm – auf Geschäftskosten.
Die Reise war zum Dank für jahrelange Arbeit für Kundin CS in deren US-Steuerfall. Sie war vom Chef des Partners bewilligt, mit der Auflage, weniger Leute für kürzere Zeit mitzunehmen. Dafür zahle Deloitte 15’000 Franken.
Ein anderer Vorwurf betraf ein Extra-Abo fürs Wall Street Journal. Die Finanzzeitung war im ganzen US-Steuerfall wichtig. Das bereits existierende Abo war nicht immer nutzbar, deshalb ein zweites.
Umgekehrt zur Qualität der Vorwürfe fiel der Entscheid der Deloitte-Spitze am Sitz in London aus. Höchststrafe für den Schweizer Partner, lautete dieser. Sprich: Entlassung.
Die Zürcher Chefs des Partners im Deloitte-Gebäude in der Enge, gleich vis-a-vis des grossen Parks am See, stellten sich vor den Bedrängten. Sie seien nicht einverstanden mit dem Vorgehen von London.
Der Support half wenig. Am 18. Januar dieses Jahres stellte die Zentrale an der Themse den in Ungnade gefallenen Spitzenberater vor die Wahl: Entweder Du kündigst selbst, oder wir schmeissen dich raus.
Dann müsst Ihr mich entlassen, so dessen Antwort. Von da an wurde es dreckig. Ende Februar informierte Deloitte London die Teammitglieder, dass gegen deren Chef eine Untersuchung am Laufen sei.
Damit war dessen Ruf in der Branche zerstört. Keine andere der grossen globalen Beratungsfirmen würde den Partner bei sich aufnehmen.
Mit dem Vorgehen gerieten die Londoner Chefs von Deloitte an den Falschen. Statt dass er sich einschüchtern liess, pochte er auf seine Rechte.
Diese sehen vor, dass er als Partner auf eine Anhörung pochen kann. Zunächst vor dem Gremium, das über seine Entlassung beschlossen hatte. Danach vor allen Partnern in seiner Region.
Das ist die Ära Europa-Nord-Süd, mit total 1’700 Partnern.
Der Partner stellte eine grosse Präsentation mit allen Details zusammen. Am 2. Oktober behandelte dann der Inner Circle von Deloitte an einem Meeting in Oslo den Fall.
Die Partner-Regelung sieht vor, dass der betroffene Partner innerhalb von maximal 7 Tagen nach der Behandlung seines Falls gegen den Entscheid vorgehen und eine Versammlung aller 1’700 Partner verlangen könne.
7 Tage, ab dem 2. Oktober 2019, dem Tag des Oslo-Meetings: Das ergibt den 9. Oktober. Ein Mittwoch.
Die Tage vergingen, ohne Mail, ohne Brief, ohne Anruf. Am Donnerstag, 10. Oktober, fragte der Partner bei der obersten Deloitte-Juristin der Region Nord-Süd-Europa, nach, wie es in seiner Sache stehe. In Kopie ging das Mail an den Präsidenten der Deloitte-Zone.
Der antwortete ebenfalls per Mail am Folgetag. Das Board habe „einstimmig“ entschieden, dass am Trennungsentscheid vom 23. Juli 2019 festgehalten würde.
Dann schrieb der Präsident, dass der Partner ja bereits angetönt habe, er würde eine Partner-Vollversammlung einberufen wollen, um seine Entlassung rückgängig zu machen.
Darüber soll er doch nochmals in Ruhe nachdenken, empfahl der Präsident dem Partner in seinem Email vom 11. Oktober.
„An all partner meeting will require the firm to disclose the background to and reasons for the Board decision to all of the partners in the firm“, meinte er.
„The firm will also then be unable to give any assurances as to confidentiality given the number of partners who will then need to be made aware of the matter.“
Akzeptier lieber unser Verdikt, sonst erfährt die ganze Welt, was für ein Typ Du bist. So die unmissverständliche Botschaft des Deloitte-Präsidenten.
Der Partner liess sich von der unterschwelligen Drohung nicht beeindrucken. „I don’t need the weekend for further contemplation“, meinte er in seinem Antwort-Mail vom 12. Oktober.
Im Gegenteil: „I very much look forward to presenting and discussing this matter in full transparency with all partners (…).“
Dann hörte er nichts mehr. Heute nun publizierte die Financial Times seinen Namen in prominenter Aufmachung. Eine Deloitte-Sprecherin reagierte nicht auf eine Anfrage.